Wie erzählt man heutigen Kindern das Märchen vom Rotkäppchen. Das haben sich Eberhard Streul (Buch) und Frank Steuerwald (Musik) am Anfang ihrer Beschäftigung mit dem Märchen der Brüder Grimm gefragt. Sie haben sich für eine moderne Bearbeitung entschieden, hat sich doch das Bild von Mädchen und Frauen seit dem 19. Jahrhundert deutlich gewandelt. Und so ist ein fetziges, spritziges und lustiges Musical entstanden. Rotkäppchen, die kleine Heldin, ist ein ziemlich taffes Mädchen von heute. Auch die resolute Oma lässt sich nicht ins Bockshorn jagen. Gemeinsam nehmen sie den Kampf mit dem Wolf auf, der wie ein Macho daher kommt und sich seiner Stärke (zu) sicher ist, was ihm letzten Endes auch eine Niederlage einbringt. Auch war es von Anfang an das Anliegen der Autoren, die Geschichte pointiert und witzig zu erzählen, statt auf drastische Gruseleffekte zu setzen. Dabei bleibt das Stück trotz aller spielerischen und lustigen Momente bis zum Schluss hochspannend.
Über lange Strecken folgen die Autoren der Fabel der Brüder Grimm. Rotkäppchen wird von der Mutter mit Kuchen und Wein zur Oma geschickt, die krank ist. Allerdings sträubt sie sich hier erst einmal gegen den Auftrag der Mutter. Sie hat die Kopfhörer auf und versteht nicht, was die Mutter von ihr will. Auch wehrt sie sich dagegen, dass ihre Freunde von der Mutter weggeschickt werden. Dabei hatten die sich vorher nur mit ihrem elektrischen Spielzeug und nicht mit Rotkäppchen beschäftigt. Kinder von heute, von Publikumskindern dargestellt.
Auch die erste Begegnung mit dem Wolf wird wie im Grimm-Märchen erzählt. Rotkäppchen begegnet dem schlauen Wolf arglos und lässt sich von ihm aushorchen, während der Wolf seine Pläne macht, wie er erst die Großmutter und danach Rotkäppchen verspeisen kann. Um ins Haus der Großmutter eingelassen zu werden, gibt sich der Wolf als Rotkäppchen aus. Da er seine Rolle noch eine Weile spielen möchte, ergeben sich einige fulminante und sehr witzige Szenen zwischen der Großmutter und dem Wolf. So wird der Wolf von der Großmutter gewaschen, weil die sehschwache Frau findet, dass ihre „Enkelin“ streng riecht. Schließlich gibt sich der Wolf zu erkennen und frisst die Großmutter auf. Danach legt er sich ins Bett der Großmutter. Angetan mit ihrer Nachthaube spielt er Rotkäppchen vor, er sei ihre Oma. Als der Wolf das Mädchen aber fressen will, kommt Rotkäppchen in letzter Minute der rettende Gedanke an den mitgebrachten Heidelbeerwein. Sie gibt dem durstigen Wolf zu trinken. Der Wein benebelt ihn und er schläft ein. Rotkäppchen befreit nun mit einer kleinen Operation die Großmutter aus dem Bauch des Wolfes und der Isegrim muss mit hängenden Ohren und wieder vollständig leeren Bauch abziehen.
Die Musik
Das Stück ist für drei Sänger-Schauspieler und multitimbrales Keyboard geschrieben. Musiknummern wechseln mit Dialogen. Rotkäppchen, ein modernes, freches Mädchen, stellt sich musikalisch mit einem Rapp vor, der mit elektronischen Sounds zwischen Techno und Hip-Hop (für Kinder von heute vertraute Musik, die es ihnen leicht macht, sich mit Rotkäppchen zu identifizieren) unterlegt ist. Die Songs für den Wolf bewegen sich zwischen Blues und Rock. Die Melodieführung ermöglicht es dem Darsteller, seine Stimme mit rauem Timbre einzusetzen, was der Figur eine gewisse Bedrohlichkeit verleiht, ohne dass sie dabei ihren Witz verliert. Die skurrile Art der Oma zeigt sich durch humoristische und parodistische Musikstile, beispielsweise, wenn sie mit einem Ragtime in Stummfilmmanier den Wolf mit dem Besen vor sich hertreibt.
FK / ES
(aus: [t]akte 2 / 2015]
Eberhard Streul / Frank Steuerwald
Rotkäppchen. Musical für die ganze Familie nach dem Märchen der Brüder Grimm
Uraufführung: 19.4.2015 Hochheim (Musikbühne Mannheim), Musikalische Leitung: Frank Steuerwald, Regie: Eberhard Streul.
Besetzung: Rotkäppchen (Sopran/Schauspielerin), Wolf (Bariton), Oma (Sopran/Schauspielerin) – Keyboard
Vertrieb: Bärenreiter · Alkor