Drei Fragen an Philipp Maintz
1. Das neue Orchesterwerk para descubrir hat wie die Orchesterlieder „tríptico vertical“ erneut einen spanischen Titel. Worauf spielt er an?
Dass der Titel wieder spanisch ist, hängt mit der Originalsprache der Gedichte von Roberto Juarroz zusammen, auf die sich diese fünf Sätze beziehen. Diese sind wiederum mehr oder minder eng mit dem tríptico vertical verwandt. An der dazugehörigen Stelle im zweiten der drei Gedichte heißt es: „La exploración sin fin nos ha probado / que todo está por descubrir.“ / „Die endlose Erkundung hat uns gezeigt, dass alles erst noch zu entdecken ist.“ Darauf bezieht sich die kompositorische Seite des neuen Stücks: Material, das aus dem tríptico stammt, noch einmal aufzugreifen, sich ihm auszusetzen und weitere/andere/manchmal extremere Seiten seines Potenzials zu entdecken.
Die Verwandtschaftsgrade gehen von ganz engen – der Revision und dem Wiederverwenden einer Vorstudie (des estudio horizontal) – bis hin zu weit sich entfernenden Bezügen, wo ich kleine motivische Partikel in Richtungen durchgeführt habe, die im tríptico nicht denkbar gewesen wären und auch klanglich an ganz andere Horizonte vorstoßen: Im zweiten Lied des tríptico gibt es ein leises Rascheln des Schlagzeugs im Hintergrund. Es löst sich im zweiten Satz von para descubrir aus dem Hintergrund und wird zu einem großen Netz ziselierter, repetitiver Gestalten, die am Ende eine ausgedehnte, beinahe gerasterte Fläche bilden. Oder der fünfte Satz: Er bedient sich einer beiläufigen Figur aus dem dritten Lied des tríptico. Wie ein „dux“ wird er durch eine Art „comes“ begleitet — so dass beide am Höhepunkt des fünften Satzes ein höchst energetisches, kontrapunktisches Geflecht erzeugen, das das ganze Orchester zu einem frenetischen Tanzen bringt.
2. para descubrir ist fünfsätzig – ein Wort über die Form: Ist das Werk eher symphonisch oder suitenhaft?
Weder noch. Die ursprünglich unabhängigen fünf Sätze habe ich am Schluss in eine Abfolge mit stimmiger Dramaturgie gebracht. Es gibt einen langsamen Satz, ein Scherzo, ein Finale … Assoziationen folgen auf dem Fuß, jedoch handelt es sich nicht um eine Symphonie.
3. Wie ist der Umgang mit dem Orchester im Anschluss an die vorangegangenen Erfahrungen mit dem großen Apparat? Was erwartet den Zuhörer?
Bei meinem letzten Orchesterwerk, hängende gärten für orchester, hat mich anfänglich das Fehlen eines Solisten irritiert. Hier habe ich mich mehr darauf einlassen können. Es gibt hier und dort solistische Ausflüge einzelner Instrumente oder ganzer Gruppen — hingegen auch ungeniertes Tutti, ohne Angst zu haben, einen Solopart klanglich zu erdrücken. Ich glaube, die Fünfsätzigkeit hat mir außerdem ermöglicht, einen recht schönen Bilderbogen unterschiedlichster Kreaturen zu bauen, und etwas Neues rumort in meinen Stücken seit den hängenden gärten, eine Art rhythmischer Deutlichkeit: sei sie in Repetitionen, die sich in unterschiedlichen Wellen verdichten und lichten, sei es, dass ich dezidiert fassliche rhythmische Gestalten zu großen und ausgedehnten Ketten zusammengebaut habe.
Die Fragen stellte Marie Luise Maintz
(aus [t]akte 1/2018)