Für die Essener Philharmoniker hat Ľubica Čekovská ein großangelegtes sinfonisches Werk geschrieben, eine äußerst facettenreiche Musik. Der Titel Palingenia ist der wissenschaftliche Name für die Eintagsfliege.
[t]akte: Warum haben Sie den Titel Palingenia gewählt?
Ľubica Čekovská: Vor allem empfinde ich es als große Ehre und Privileg, ein Auftragswerk für dieses renommierte Orchester komponieren zu dürfen! Ich hatte sofort die von frühlingshaften Natureindrücken aus unserem Garten angeregte Idee, eine Musik über dieses auch im existenziellen Sinne faszinierende Insekt mit einem so kurzen Leben und seinem klangvollen lateinischen Namen zu schreiben. Mein Stück ist dreiteilig, es beschreibt das Erwachen, das Leben und – in Form einer Totenklage – den ewigen Schlaf. Der schöne Tanz des Lebens endet bei diesem Tier und seinen in Schwärmen auftretenden Artgenossen wie bei einer riesigen Blume. Die zahllosen abgestorbenen Insektenkörper bilden weiße, auf dem Fluss treibende Flecken. Unsere hiesigen Fischer nennen diese merkwürdige Erscheinung auf ungarisch „Dunavirag“: Blume der Donau. Dies alles steht symbolhaft für das Wunder des Lebens und Vergehens. Es berührt mich so tief, dass es in diesem sinfonischen Werk Gestalt angenommen hat.
Glauben Sie an Inspiration? Woran entzündet sich Ihre kompositorische Kreativität?
Absolut! Es mag sein, dass ich hierin eine ziemlich „altmodische“ Komponistin bin, aber ich glaube fest daran, Inspiration im eigentlichen Wortsinn von beinahe überall empfangen zu können. Hieraus erwächst für mich als Komponistin etwas Grundlegendes: Ich fühle mich frei, um meine eigene musikalische Sprache zu formulieren. Eine Sprache, an deren Regeln ich fest glaube.
Sie sind auch pianistisch tätig. Verwenden Sie häufiger musikalische Ideen, die sich beim Improvisieren ergeben haben? Schreiben Sie am Klavier?
Es stimmt, ich bin Pianistin und ich improvisiere sehr viel, jedoch benutze ich schon lange kein Klavier mehr beim Komponieren. Dies stärkt meine Vorstellungskraft und spornt mich zu maximaler Klangimagination an. Außerdem gibt es einen ganz praktischen Grund: Ich möchte meine beiden kleinen Söhne nicht beim Spielen stören.
Die Diskrepanz zwischen dem mühsamen, langsamen Geschäft des Notierens von Musik und der so schnellen Echtzeit der Aufführung ist schon oft thematisiert worden. Einen anderen Aspekt von Timing erfordert das Schreiben für die Opernbühne. Sie haben mit Ihrem „Dorian Gray“ eine dramatische Novelle nach Oscar Wilde geschrieben. Reizt Sie das Genre der Komödie?
Ich war sehr froh, als ich vom Slowakischen Nationaltheater Bratislava den Auftrag für meine erste abendfüllende Oper erhielt. Die 130 Minuten meines Dorian Gray haben mir gezeigt, dass die in Monaten komponierte Musik und die Echtzeit während der Aufführung wunderbar zusammengekommen sind. Diese unschätzbare Erfahrung bestärkt mich, mehr für die Bühne zu schreiben, zudem zeichnet sich ein sehr schönes Projekt ab: Ein pikanter komödiantischer Stoff! Das heitere Genre ist unglaublich schwer, doch auch höchst reizvoll! Es wird besonders hohe Ansprüche an meine Musik und an mich stellen. Ich stehe schon in den Startlöchern und kann es kaum abwarten!
Die Fragen stellte Michael Töpel
(aus: [t]akte 2 / 2015)