Im Auftrag der Tschechischen Philharmonie hat Bärenreiter Praha das neue Aufführungsmaterial für zwei Orchesterwerke von Josef Suk (1874–1935) – „Epilog“ op. 37 und „Legende von den toten Siegern“ op. 35b – erstellt.
„Epilog“, ein vierzigminütiges symphonisches Werk in einem Satz, knüpft frei an drei Orchesterwerke an, mit denen das Werk eine Tetralogie bildet: die Symphonie „Asrael“ op. 27, „Ein Sommermärchen“ op. 29 und „Lebensreifen“ op. 34. In Epilog erweiterte Suk die Besetzung um Sopran-, Bariton- und Basssolo sowie einen kleinen und großen gemischten Chor. Das umfangreiche Fresko zeichnet sich durch eine komplexe Polyphonie aus, eine außerordentliche Sorgfalt bei der Ausgestaltung aller Details, aber auch durch eine klare Gliederung in fünf attacca anknüpfende Abschnitte, die trotz harmonischer Experimente und kühner Dissonanzen den stilistischen Rahmen der ausklingenden Spätromantik nicht überschreiten. Die einzelnen Teile sind in der Partitur nicht gekennzeichnet, zur Zeit der Uraufführung hat sie mittels einer zweifellos authentischen „Analyse“ in der Zeitschrift Tempo der Biograph des Komponisten Jan Miroslav Květ wiedergegeben (I. Schritte – Flucht – Hoffnungslosigkeit, II. Lied der Mütter, III. Von Ewigkeit zu Ewigkeit, IV. Mystisches Staunen und Unruhe, V. Der Pilger und Tröster).
Der grundlegende Gedanke von Epilog ist ein Zitat aus Psalm 23 (in der Übersetzung der Kralitzer-Bibel), formuliert zuerst als Frage, auf Deutsch etwa: „Wenn ich durch das Tal des Todesschattens gehen muss, werde ich nichts Böses fürchten?“, um am Schluss als versöhnende Antwort zu erklingen: „… werde ich nichts Böses fürchten; denn du bist bei mir.“
Für den Finalchor hat Suk den Schluss des religiösen Dramas von Julius Zeyer Unter dem Apfelbaum entlehnt, zu dem er einst die Bühnenmusik geschrieben hatte, und den Text bearbeiten lassen.
Suk arbeitete am „Epilog“ in den Jahren von 1920 bis 1929, beziehungsweise bis 1933, in dem das Werk von der Tschechischen Philharmonie unter Václav Talich uraufgeführt wurde. Seine bisher letzte Aufführung hatte die Tschechische Philharmonie unter der Leitung von Jakub Hrůša für Januar 2022 geplant, aufgrund der Pandemie musste sie jedoch kurzfristig verschoben werden und wird nun erst am 30. April 2025 stattfinden.
Ein anderes Werk der letzten Schaffensperiode Josef Suks ist die „Legende von den toten Siegern“ op. 35b (unter der Opusnummer 35 hat Suk auch zwei weitere „patriotische“ Werke eingeordnet, die „Meditation“ für Streichquartett und den Sokol-Marsch „In ein neues Leben“) mit dem Untertitel „Totenfeier für großes Orchester“. Die Komposition ist im Auftrag des Ministeriums für nationale Verteidigung zu Ehren der gefallenen tschechoslowakischen Legionäre in den Jahren 1919–1920, während des enthusiastischen Aufbaus der neu gegründeten Republik, entstanden. Die Legende verbirgt ihren politischen Zweck und ihre etwas pompöse, festliche Dimension nicht. Gleichzeitig ist sie eine seltene Frucht von Suks orchestraler Meisterschaft während seiner späteren Schaffensperiode und kann dramaturgisch „einfach als Musik“ verwendet werden. Die Legende von den toten Siegern wurde im Jahre 1924 uraufgeführt. Jakub Hrůša, der mit der Tschechischen Philharmonie das gesamte Orchesterwerk Suks für das Label Pentatone aufnimmt, wird sie im Februar 2026 in einem Konzert aufführen.
Die beiden neuen Aufführungsmateriale enthalten neben den Orchesterstimmen auch eine revidierte Partitur und im Falle des „Epilogs“ auch einen Klavierauszug, den ein Schüler Suks, Emil Hlobil, ausgearbeitet hat. Die revidierten Partituren basieren auf postumen Ausgaben von Suks Freund, dem Musikwissenschaftler Otakar Šourek. Für die Edition wurde die Notation optimiert, beispielsweise werden die gemeinsamen Dynamik- und Artikulationszeichen für gepaarte Instrumente nur einmal (nicht doppelt) angeführt. Für spezielle Hinweise in der tschechischen Sprache, die früher ins Italienische übersetzt wurden, wurde als zweite Sprache das heute üblichere Englisch gewählt. Korrekturen und Ergänzungen wurden entsprechend der Analogien in der Instrumentierung vorgenommen, bei Unklarheiten wurden handschriftliche Quellen zurate gezogen.
Jonáš Hájek
(aus [t]akte 1/2025)