Mit ihrem neuen Orchesterstück ruft uns Ľubica Čekovská das verspielte Bewusstsein aus unserer Kindheit in Erinnerung. Ende November findet die Uraufführung in Houston statt.
Das neue Werk der slowakischen Komponistin erwuchs aus einem langjährigen künstlerischen und persönlichen Dialog mit ihrem Landsmann Juraj Valčuha, dem Dirigenten und Musikdirektor des Houston Symphony Orchestra. Eine umfassende Vorgeschichte liegt der Uraufführung mit dem amerikanischen Spitzenorchester zugrunde, die bis zurück in ihre jeweilige Studienzeit geht, in der sie eine gemeinsame Sensibilität für Klang, Struktur und expressive Tiefe entwickelten. Für Ľubica Čekovská stehen damit gleich zwei Premieren bevor: die ihres neuen Werks und ihre erste Reise in die Vereinigten Staaten. „Die Einladung, für einen solchen Klangkörper zu komponieren, unter der Leitung eines Dirigenten, mit dem ich eine tiefe musikalische Verbundenheit teile, machte den Schaffensprozess sowohl befreiend als auch äußerst produktiv im besten Sinn“, so die Komponistin über die Zusammenarbeit.
„Toy Procession“ lautet der Titel des daraus entstandenen Werks, der auf den ersten Blick verspielt erscheint – doch in dieser Verspieltheit liegt eine zutiefst philosophische Grundhaltung. Čekovská geht es um den Prozess des Erinnerns, des Auflebens der kindlichen Fantasie, jener sorglosen Einfachheit, die wir oft hinter uns lassen, wenn wir erwachsen werden: Wohin verschwinden die Träume der Kindheit? Bedeutet Erwachsensein, dass man vergisst, wie man spielt oder ändert sich lediglich die Art und Weise, wie wir spielen? Die Komponistin fasst die Idee ihres Werks treffend zusammen: „In dieser Musik suche ich keine Nostalgie, sondern vielmehr Erkenntnis. Das Spielzeug wird zu einem Symbol – nicht nur als Objekt, sondern als Emblem der Reinheit der Wahrnehmung, des Staunens, der Fähigkeit, die Welt neu zu sehen. Diese Fähigkeit zu staunen – voller Freude, mit großen Augen im Hier und Jetzt – ist etwas, das Kinder beherrschen, und das wir wieder erlernen müssen. Durch den Klang versuche ich, Zugang zu diesem ursprünglichen Blick zu finden, zu jener sanften Klarheit des Seins.“
Musikalisch drückt sich das in mehreren rhythmischen Motiven aus, denen eine eigene melodische DNA und Rhetorik innewohnt. Im Verlauf des Stücks entfalten sich die Motive wie ein aufkeimendes Bewusstsein – vom Stillstand bis hin zur Bewegung, von Stille hin zur Struktur. „Diese Motive erwachen allmählich und fügen sich zu einer verspielten, aber innerlich zusammenhängenden Reihenfolge; sie tun das in nahezu zeremonieller Weise. Schließlich gipfeln die musikalischen Figuren in einer frenetischen Prozession, einem wilden Tanz, der am Rande des Chaos taumelt, bis sich die Energie auflöst und alles wieder zur Ruhe kommt. Die Struktur ist weniger auf eine Entwicklung im klassischen Sinn ausgelegt, sondern mehr auf das Entstehen – eine Parade musikalischer Archetypen, die kurzzeitig verkörpert und dann wieder ins Unterbewusstsein zurückgezogen werden. Es ist Musik als Bewegung, nicht als Moment.“ Das Stück ist dabei als durchkomponierter Bogen geschrieben, als „zehnminütiger Strom orchestralen Lebens“, bei dem sich Formen entwickeln, Texturen kollidieren, Klangfarben sich auflösen und Rhythmus zum strukturierenden Prinzip wird. Am Ende schwindet der Klang, als würde er in einen Ort jenseits des Hörbaren zurücktreten.
Tessa Singer
(aus [t]akte 2/2025)



