Von Dvořáks Klavierkonzert op. 33 gibt es bisher nur unzureichende Ausgaben. Nach genauer Berücksichtigung der Quellen erscheint das Werk nun in seiner ursprünglichen Gestalt.
Die Erstausgabe von Antonín Dvořáks Opus 33 erschien Mitte 1883, mehr als fünf Jahre nach der Uraufführung und fast sieben Jahre nach seiner Vollendung. Dvořák hat das Werk bis zur Veröffentlichung vielfach überabeitet. Die autographe Partitur umfasst zahlreiche Korrekturen, Überklebungen, Auskratzungen, Ergänzungen und zeigt die Entwicklung von dreierlei Gestaltungen: die Form des Werkes, die Orchesterbegleitung und den Solopart. Der Formverlauf wurde insbesondere im ersten Satz von Dvořák verbessert: Takte sind hinzugefügt worden und Teile des Werkes wurden gekürzt, damit in den Übergängen eine ausgewogene Form entstehen konnte. Weiterhin wurde das Kolorit des Orchesters mit detaillierten Dynamik-angaben, Artikulationszeichen und Phrasierungsbögen bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Die meisten Veränderungen bezogen sich jedoch auf den Solopart, den Dvořák mit Effektivität, Virtuosität und Klang (Tonraum) ausführlich revidierte, ohne dabei die Feinheit und Transparenz des Werkes zu zerstören. Die Überarbeitung des Klavierparts folgte nicht nur den Ideen des Komponisten, sondern auch der Ansichten vieler Pianisten, Kritiker, Verleger und Musikwissenschaftler. Deren Kritik war sicher auch ein Grund für die lange Suche nach einem Verlag, der das Werk herausgeben wollte. Das Manuskript wurde anscheinend als Partitur für die Erstaufführung genutzt und enthält deswegen Anmerkungen und Notizen vom Dirigenten.
Dass das Klavierkonzert lange unterschätzt wurde, lag daran, dass der Solopart nicht den damaligen Vorstellungen des Solokonzerts entsprach, die Virtuosität, Eigenständigkeit und extravertierte Darstellung forderten. Eine von Vilém Kurz bearbeitete Fassung wurde 1919 in die kritische Gesamtausgabe der Werke Dvořáks (Berkovec/Šolc, 1956) aufgenommen.
Die neue Edition sieht in dieser Fassung keine Alternative und distanziert sich davon. Sie hat hingegen als Ziel, die luftige, originelle und transparente Klangvorstellung Dvořáks an unklaren Stellen zu rekonstruieren.
Eine wichtige Quelle für die neue Edition ist die aus dem Nachlass von Leoš Janáček stammende Abschrift einer frühen Version. Sie bietet an manchen Stellen Einsicht, wo in der autographen Partitur Teile überklebt, ausradiert und ausgekratzt wurden. So konnte ein unklarer Übergang im dritten Satz neu interpretiert werden.
Die Handschrift des Werkes lässt sich nicht einfach übertragen. Dvořák schrieb flüchtig, manchmal klar, manchmal auch nicht, teilweise detailliert, teilweise unvollständig und ab und zu inkonsequent. Die Unterschiede zwischen > und ^ sowie zwischen Punkten und Strichen sind nicht immer deutlich. Jedoch ist an manchen Stellen zu erkennen, dass Dvořák eindeutig unterschiedliche Artikulations- und Dynamikangaben verwendet, die in der Erstedition vereinheitlicht worden sind.
Der Breslauer Verleger Hainauer hat die Edition in kurzer Zeit herausgegeben, und es ist unwahrscheinlich, dass eine ständige Rücksprache mit Dvořák stattgefunden hat. Außerdem könnte es sein, dass Dvořák die volle Aufmerksamkeit für seine inzwischen aufblühende Karriere brauchte. Es ist Hainauer deswegen nicht vorzuwerfen, dass viele Unvollständigkeiten im Manuskript übernommen wurden und Undeutlichkeiten unausgearbeitet blieben.
Die neue Edition nimmt den Erstdruck (Partitur, Solopart und Orchesterstimmen) als Hauptquelle, konfrontiert ihn jedoch mit dem Autograph, um die unklaren Stellen zu kennzeichnen und womöglich Alternativen vorzuschlagen oder sich sogar eindeutig dafür zu entscheiden. Das Resultat ist ein neuer Schritt in Richtung der Klangvorstellung Dvořáks. Als Ersatz für den ursprünglichen Klavierauszug, der nicht von Dvořák stammt, erscheint ein moderner Klavierauszug von Karel Šolc.
Robbert van Steijn
(aus [t]akte 1/2018)