Der Opernführer ist kein Auslaufmodell. Wenn er intelligent gemacht ist wie die Bände aus der Reihe „Opernführer kompakt“ der Verlage Bärenreiter und Henschel. Autoren sagen, warum sie einen Band (oder mehrere) übernommen haben.
Silke Leopold: Verdi. La Traviata. 133 Seiten. € 14,95.
Macht das Internet Bücher überflüssig? Bücher wie meinen kleinen Opernführer über Verdis La Traviata? Gewiss – man kann sich im Netz per Mausklick über die Handlung, die Besetzung, die wichtigsten Aufnahmen, die populärsten Arien informieren. Mehr als 10 Millionen Einträge verspricht mir die Suchmaschine. Da greife ich doch lieber zu einem Buch! Denn das Buch kann etwas, das im Web weit schwieriger ist – strukturieren, gewichten, kommentieren, kontextualisieren.
All das erlaubt, ja erzwingt die Reihe Opernführer kompakt mit ihrer besonderen Gliederung. Sie stellt das einzelne Werk in den Mittelpunkt und macht deutlich, dass die Musik, der Streifzug durch die Partitur das Wichtigste an einer Oper ist. Aber sie schafft auch Räume, die Herkunft des Stoffes, die vielfältigen Verflechtungen mit anderen literarischen Gattungen oder historischen Quellen, die Stellung der Oper im Leben des Komponisten, die Dramaturgie und den Charakter der handelnden Personen ebenso ernst zu nehmen. Und sie betont, welche Bedeutung die Inszenierung und die musikalische Interpretation für das Verständnis der Oper hat. Gerade in Zeiten, da sich das Repertoire auf immer weniger verlässlich kassenfüllende Opern verkleinert und dieselben Werke über Generationen hinweg immer wieder gespielt werden, ist es spannend zu beobachten, wie sich die Interpretation der immer gleichen Geschichte wandelt. La Traviata heute ist eine andere als La Traviata bei ihrer Uraufführung. Und kaum ein Opernsujet ist bis heute so aktuell wie die Geschichte der Traviata, die bis in den Hollywoodfilm hinein präsent ist.
Es ist die Mischung aus sachlicher Information und individueller Bewertung, die den Opernführer kompakt ausmacht. Und es macht mir immer wieder Spaß, aus unzähligen Wissenssplittern ein als solches erkennbares Gesamtbild zusammenzufügen.
Silke Leopold
Clemens Prokop: Mozart. Don Giovanni. 135 Seiten. € 12,95
Meine Liebe zur Oper ist eine späte, und das lag auch an unbeholfen trockener Literatur. „Und dann, und dann, und dann …“ keuchte sie wie ein aufgeregtes Kind, aber verstanden habe ich nichts. Das Gestrüpp chronologischer Verwicklungen hielt mich erfolgreich vom künstlerischen Kern fern.
Der Opernführer kompakt bietet die Freiheit zu erklären, was ich in vielen Don Giovanni-Inszenierungen vermisse: Mozarts und Da Pontes faszinierende Vielschichtigkeit. Don Giovanni – ein Womanizer? Wie langweilig. Spannend wird’s erst, wenn man ihn – auch in der Musik! – als Meister der Manipulation entdeckt. Und Don Ottavio, meist als Weichei verspottet, als seinen Gegenentwurf versteht.
Was mir ausgesprochen gefällt: Opernführer kompakt bringt auf den Punkt, ohne zu vereinfachen. Das Format verkürzt Kunstwerke nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern lässt Raum für persönliche, überraschende Perspektiven.
Clemens Prokop
Robert Maschka: Wagner. Tristan und Isolde.135 Seiten. € 14,95.
Robert Maschka: Beethoven. Fidelio. 135 Seiten. € 12,95.
In der Reihe Opernführer kompakt ist dafür gesorgt, dass alle relevanten Werkaspekte, aber auch die Nachwirkungen in Literatur, Philosophie und der Bildenden Kunst zur Sprache kommen. Das 136-Seiten-Format verhilft zur Konzentration aufs Wesentliche und Wichtige und zur Zuspitzung auf jene Aspekte, die die Leserschaft meiner Ansicht nach unbedingt wissen sollte, um zu einem angemessenen Werkverständnis gelangen.
Damit schreibe ich mir als Autor eine Filterfunktion zu. Denn anders als in früheren, vornehmlich dokumentarisch angelegten Opernmonographien, in denen vor den Lesern eine mehr oder minder umfassende Sammlung an Quellen- und Sekundärtexten ausgebreitet wurde, arbeiten die Autoren der Opernführer kompakt das Material, auf das sie sich beziehen, in ihre Texte ein und lassen die Stimmen ihrer Gewährsleute spotartig aufscheinen.
Robert Maschka
Volker Mertens: Wagner. Der Ring des Nibelungen. Opernführer kompakt. 215 Seiten. € 19,95.
Der Ring ist Wagners Hauptwerk – rätselhaft, immer neu, unerschöpflich. Wer sich mit ihm beschäftigt, den Sinn der Handlung verstehen, die Dramaturgie nachvollziehen will, wer ebenso konzentrierte wie profunde Informationen zum Werk sucht, erhält sie hier aus einer Hand – und nicht in verschiedenen Beiträgen – in verständlicher Sprache. Was das Gesamt der Tetralogie ausmacht, wird ebenso nachvollziehbar wie die Eigenart der einzelnen Dramen in ihrer musikalischen und sprachlichen Gestalt – es gibt sogar ein Wagner-Wörterbuch. Der Band hilft, Deutungen der Musiker und Regisseure einzuordnen, gibt Empfehlungen von Musik- und Videoaufnahmen sowie Gespräche mit ausgewählten Interpreten.
Als Wissenschaftler ist es mir ein Anliegen, neueste Erkenntnisse ebenso kompakt wie umfassend darzustellen sowie sie eingängig und nachvollziehbar unter Einschluss von umfassendem Bildmaterial zu vermitteln. Das Konzept der neuen Reihe gibt mir die willkommene Gelegenheit dazu.
Volker Mertens
(aus [t]akte 1/2013)