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Die Kantate „Weichet nicht!“ und das „Jüdische Gebet“ von Miloslav Kabeláč

Miloslav Kabeláč 
Weichet nicht! Kantate für Männerchor, Blechbläser und Schlagwerk op. 7 (1939)

Besetzung: Chor TTBB – 2 Kfag – 4, 3, 3, 1 – Pk, Schlg

Aufführungsdauer: ca. 9 Minuten

Verlag: Bärenreiter Praha, OM 494, Aufführungsmaterial leihweise


Jüdisches Gebet für Gesang, Sprecher und Männerchor op. 59 (1976)
Besetzung: Bassbariton, Sprecher, Chor TTBB

Aufführungsdauer: ca. 7 Minuten

Verlag: Bärenreiter Praha, OM 489, Aufführungsmaterial leihweise

Aufführung beider Werke: 26.10.2025 Leipzig (Gewandhaus): ffortissibros, Junge Kammerphilharmonie Sachsen, Leitung: Benedikt Kantert

Zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus stellt Bärenreiter Praha neues Aufführungsmaterial zweier hochaktueller Werke von Miloslav Kabeláč zur Verfügung. 

Der tschechische Komponist Miloslav Kabeláč (1908–1979) hat ein bedeutendes Werk hinterlassen, darunter acht Sinfonien, Chor-, Klavier- und Kammermusik. Zwei Diktaturen ausgesetzt, positionierte er sich mehrfach gegen das vorherrschende Regime. Seine Musik ist vielfach geprägt von einem humanistischen, freiheitlichen Geist. 


Weichet nicht! Kantate op. 7

Als das nationalsozialistische Deutschland im März 1939 das Protektorat Böhmen und Mähren ausrief, war Miloslav Kabeláč dreißig Jahre alt. Er arbeitete zunächst noch beim Tschechischen Rundfunk, dann wurde er aufgrund seiner Ehe mit der jüdischen Pianistin Berta Rixová-Kabeláčová entlassen. Seine Werke verschwanden bis zum Kriegsende zunehmend aus der Öffentlichkeit.

Bereits mit Beginn der deutschen Okkupation dachte Kabeláč über eine Komposition nach, die auf dieses einschneidende Geschehen Bezug nimmt. In den Volksliedtexten aus der Sammlung von Karel Jaromír Erben fand er den geeigneten Text für seine Kantate „Weichet nicht!“ („Neustupujte!“) für Männerchor, Blechbläser und Schlagwerk op. 7. Am 27. Oktober 1939 stellte er die Komposition fertig, einen Tag vor dem Jahrestag der Gründung der Tschechoslowakei.

Der Text nach Karel Jaromír Erben handelt vom gewaltvollen Eindringen preußischer Truppen in Böhmen bzw. Prag in der Mitte des 18. Jahrhunderts – eine klare Parallele zur damaligen politischen Situation. 
Die Kantate gipfelt im deutlich von den Trompeten deklamierten Zitat des Hussitenchorals „Ktož jsú boží bojovníci!“ (Die ihr Gottes Streiter seid!). Dieser Choral aus dem 15. Jahrhundert spielt eine bedeutende kulturhistorische Rolle im Zusammenhang mit der Herausbildung der tschechischen Nation, Identität und Kultur und ruft auf zur Opferbereitschaft und Nächstenliebe, zum Gottvertrauen und zur Tapferkeit angesichts der feindlichen Bedrohung.

In der Zeitschrift „Hudební rozhledy“ (1959) verglich Kabeláč seine Kantate „Weichet nicht!“ mit Arnold Schönbergs Melodram „Ein Überlebender aus Warschau“ op. 46 aus dem Jahr 1947. Vor allem hinsichtlich der menschlichen Botschaft sei seine Kantate ein „ebenso eindringlicher Appell an das Gewissen der Welt gegen die Gräuel und die Unmenschlichkeit des Faschismus“.
Die Kantate trägt die Widmung „Českému národu“ (An die tschechische Nation). Uraufgeführt wurde sie am 28. Oktober 1945 im Rundfunk bei der Wahl von Edvard Beneš zum ersten Staatspräsidenten nach dem Krieg.


Jüdisches Gebet op. 59

Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 verschlechterte die nun deutlich restriktivere Politik in der Tschechoslowakei der 1970er-Jahre („Normalisierung“) die Situation vieler Künstlerinnen und Künstler im Lande. Miloslav Kabeláč komponierte bis zu seinem Tod 1979 trotz schwerer gesundheitlicher Rückschläge kontinuierlich weiter.

Den 40. Hochzeitstag mit seiner Frau Berta Kabeláčová am 1. August 1976 nahm er als Anlass für die Komposition des „Jüdischen Gebets“ („Židovská modlitba“) für Gesang (Bass-Bariton), Solo-Rezitation (tiefe Männerstimme) und Chor (tiefe Männerstimmen).

Dabei greift der Komponist auf das aramäische Totengebet Kaddisch zurück, das in der jüdischen Tradition nach dem Tod eines Elternteils vom (männlichen) Nachkommen gesprochen wird. 
Es war der ausdrückliche Wunsch des Komponisten, dass diese Komposition die letzte Opuszahl in seinem Werkverzeichnis trägt.    

Elisabeth Hahn
(aus [t]akte 2/2025)

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