Die Reihe „L’Opéra français“ veröffentlicht historisch-kritische Editionen von französischen Musiktheaterwerken, die verlässliche Grundlagen für Aufführungen bieten.
Das Repertoire französischer Opern des 19. Jahrhunderts im Bärenreiter-Verlag ist inzwischen erheblich angewachsen: In der Reihe L’Opéra français, die auch in Subskription bezogen werden kann, stehen veritable Wiederentdeckungen neben Kerntiteln des Repertoires. Die Werke erscheinen unter der Editionsleitung von Paul Prévost in Zusammenarbeit mit bedeutenden Forschern der Gattung in kritischen Neuausgaben inklusive einer kritischen Edition des Librettos in all ihren historischen Fassungen. Noch immer brachte diese zumeist erste Ausleuchtung aller Quellen der Aufführungspraxis wesentliche Impulse – à découvrir!
Charles Gounod: Faust (version opéra). Oper in 5 Akten. Libretto von Jules Barbier und Michel Carré. Hrsg. von Paul Prévost (BA 8713)
Besetzung: Marguerite (S), Siebel (S), Marthe (MS), Faust (T), Valentin (Bar), Wagner (Bar), Méphistophélès (B); Chœur
Orchester: 2 (I ou pte fl.).2 (I ou cor anglais).2 (I ou clar. b). 2 – 4.2 Cnt à pist.(ou 2 trp).2.3.1. – Timb., Trgl, Tamb. (ou c. claire), Tamb. basque, Tamt, Cymb., Gr. c. – 4 Harpes, Org. – Cordes; Bühnenmusik (N° 22): SSaxhn, 2 Cnt à pist., 2 Trp. à cyl., 2 ATromb., TTromb, BSaxhn, CbSaxhn
Faust steht repräsentativ für seinen Komponisten, der zwischen dem Ausdruck übersteigerter Sinnlichkeit und einer tiefen Spiritualität hin- und hergerissen war. So erfuhr Goethes Drama in seiner bedeutendsten musikalischen Umsetzung eine zutiefst persönliche Auslegung. Mit einer detaillierten Einleitung (französisch, englisch, deutsch) präsentiert die Neuausgabe die Geschichte des Werkes in seinen verschiedenen vollständig gesungenen Fassungen bis zum Tod des Komponisten. Die Hauptfassung der Edition entspricht der Aufführung vom 3. März 1869 an der Pariser Opéra. Mit einfachen Querverweisen ermöglicht es die Partitur aber auch, die vorigen und die späteren Stadien der Oper aufführungspraktisch zu rekonstruieren. Vervollständigt wird die Ausgabe durch eine kritische Edition des Librettos. Alle verfügbaren Quellen sind beschrieben, und der Kritische Bericht erteilt Auskunft über alle Änderungen. Die beiden früheren Fassungen des Faust mit gesprochenen Dialogen sind Gegenstand eines separat in Vorbereitung befindlichen Bandes derselben Serie (BA 8714).
Camille Saint-Saëns: Samson et Dalila. Oper in 3 Akten und 4 Bildern. Libretto von Ferdinand Lemaire. Hrsg. von Andreas Jacob / Libretto-Edition Fabien Guilloux (BA 8710)
Besetzung: Dalila (MS), Samson (T), Le Grand prêtre de Dagon (Bar), Abimélech, Satrape de Gaza (B), Un vieillard Hébreu (B), Un Messager philistin (T), Premier Philistin (T), Deuxième Philistin (B); Chœur des Hébreux, Chœurs des Philistins; Ballett – Prêtresses de Dagon
Orchester: 3 (III ou pte fl.).2.Cor angl.2. Clar. b.2. Cb bn – 4.2.2 Cnt à pist.3.1.2 Ophicl.– Timb., Gr. c., Bck, Trgl, Cymb, Cstgn, Tamb, Tamt – 2 Harpes – Cordes; Bühnenmusik: Clôche en fa#
Samson et Dalila ist heute die einzige Oper Saint-Saëns’, der er seinen Ruf als Opernkomponist verdankt; dieser allgemeinen, in ihrer Einschränkung vielfach beklagten Verengung editorisch zu begegnen und das Werk in einen Schaffenszusammenhang einzubetten, war bereits beim Start des Projekts eines der Ziele. Doch auch das Hauptwerk musste einige Umwege auf sich nehmen, um seine Position zu finden: Als 1875 der erste Akt im Théâtre du Châtelet in Paris (innerhalb der „Concerts nationaux“) konzertant aufgeführt wurde, war die Aufnahme mehr als kühl. Ohne die Unterstützung von Franz Liszt, der das Werk am 2. Dezember 1877 in Weimar zur Uraufführung brachte (in deutscher Sprache und mit triumphalem Erfolg), hätte es wohl gar nicht seinen globalen Siegeszug angetreten und wäre wie Saint-Saëns’ zwölf weitere Opern von den Bühnen verschwunden. Es folgten Aufführungen in Brüssel (1878, konzertant, französische EA), in Rouen und am Pariser Théâtre-Lyrique de l’Eden. Doch erst am 23. November 1892 fand die erste Aufführung in der Salle Garnier statt, die schließlich den großen und kontinuierlichen Erfolg brachte. Diese Fassung ediert die Ausgabe in ihrem Hauptteil. Dafür wurden die reichhaltigen Quellen aus den Aufführungen in Weimar und Paris erstmals ausgewertet.
Jules Massenet: Werther. Lyrisches Drama in 4 Akten und 5 Bildern. Libretto von Édouard Blau, Paul Milliet und Georges Hartmann (nach Johann Wolfgang von Goethe). Hrsg. von Lesley Wright (BA 8706)
Besetzung: Werther (T), Albert (Bar), Le Bailli (Bar/B), Schmidt (T), Johann (Bar/B), Brühlmann (T), Charlotte (MS), Sophie (S), Käthchen (S), Les 6 enfants (KinderS), Un petit paysan (stumme Rolle), Un domestique (stumme Rolle)
Orchester: 2 (II ou pte fl).2 (II ou cor angl).2.Asax.2 – 4.2 Cnt à pist.3.1. – Timb., Trgl, Tamb, Gr c. – Harpe – gr. Org., Clav. de timbres (ou clavier Glcksp) – CordeS; Bühnenmusik: Tamt, Machine à vent
Um Massenets letzte kompositorische Vorstellungen ideal zu präsentieren, wertet die Neuausgabe erstmals alle Änderungen aus, die in den vielen Orchesterpartituren und Klavierauszügen zu Lebzeiten des Komponisten erschienen. Das Autograph von 1887 (das vom Stecher für die Herstellung der ersten Orchesterpartitur verwendet wurde) dient dabei als Basis; doch spiegelt es nicht die vielfältigen Eingriffe wider, die der Komponist vor und nach der Uraufführung an der Wiener Hofoper (am 16. Februar 1892, in deutscher Sprache) vornahm, und ist bei der Lösung vieler problematischer Passagen eher irreführend. Die verschiedenen, bei Heugel vor 1912 erschienenen Auflagen der Partitur weisen deutliche Änderungen auf, gegenüber dem Autograph, untereinander sowie gegenüber den Klavierauszügen ihrer Zeit. Eine wesentliche Quelle der neuen Ausgabe war Massenets Handexemplar des Klavierauszugs, in das er minutiös Änderungen der Vokallinien, Ausdrucksbezeichnungen und eine genauere Dynamik vermerkte sowie dezidierte Bühnenanweisungen notierte – ein Zeugnis der präzisen Arbeit mit seinen Sängern. Diese Neuausgabe spürt erstmals die Lesarten aller Quellen zu Massenets Lebzeiten auf, erklärt sie und führt sie wieder zusammen, räumt dem Libretto in einer Edition der Textquellen seinen Stellenwert ein, korrigiert Fehler und Auslassungen, und schlägt alternative Tonhöhen für die (historisch eingeschränkten) Pauken vor. Zahlreiche Anhänge belegen die reiche Aufführungsgeschichte.
Ambroise Thomas: Hamlet. Oper in 5 Akten, Libretto von Michel Carré und Jules Barbier. Hrsg. von Sarah Plummer und Hugh Macdonald (BA 8709)
Besetzung: Claudius, roi de Danemark (B), La reine Gertrude (MS), Hamlet (Bar), Polonius (B), Ophélie (S), Laërte (T), Horatio (B), Marcellus (T), Le Spectre (B), 1er fossoyeur (T), 2e fossoyeur (B); Chœur et Ballet: Seigneurs, Dames, Soldats, Comédiens, Serviteurs, Paysans danois
Orchester: Pte fl.2.2 (II ou cor angl).2.Clar b. ASax, BarSax.4. – 4 (III–IV ou cors á pist).2,2 Cnt à pist.3. Saxhn b. – Timb; Gr. c., Trgl, Cymb – 2 Harpes – Cordes – Bühnenmusik: Fl., Clar., Cor, 6 Trp, 4 Tromb, Saxhn b, Perc., 2 Harpes
Hamlet, einer der größten Opernerfolge im 19. Jahrhundert in Frankreich, wurde am 7. März 1868 an der Opéra de Paris aus der Taufe gehoben. Außer Frage steht, dass Ambroise Thomas Shakespeares weltberühmtes Drama überzeugend umzusetzen verstand – auch wenn seine Librettisten den Helden am Ende überleben lassen. Um das sensible englische Publikum diesem unerwarteten Finale nicht auszusetzen, entstand für die Aufführungen 1869 in London ein Schluss, der mit der englischen Tragödie übereinstimmt und bei dem Hamlet beim Schlussvorhang sein Leben aushaucht. Der gigantische Quellenbefund offenbart allerdings eine weit größere Vielfalt der Fassungen als lediglich das alternative Ende: Allein in der Bibliothèque nationale de France, im der Bibliothèque-musée de l’Opéra und in den Archives nationales in Paris finden sich Skizzen, alternative Szenen, ergänzende Ballette, Korrekturen, Revisionen, alles aus Thomas’ Hand. Die wissenschaftliche Neuausgabe bietet also Gelegenheit, den Reichtum eines Schlüsselwerks am Ende des Second Empire zu erfassen, mit dem Ziel die Quellen auf wissenschaftlicher Basis der Praxis zugänglich zu machen. Doch allein schon, um die Fehler der alten Ausgabe zu bereinigen, lohnte sich der Aufwand.
Édouard Lalo: Fiesque. Grand Opéra in 3 Akten, Libretto von Charles Beauquier (nach Friedrich Schiller), Hrsg. von Hugh Macdonald, Libretto-Edition Vincent Giroud und Paul Prévost (BA 8703)
Besetzung: Fiesque, Comte de Lavagna (T), Verrina (B), Hassan (Bar), Léonore, Comtesse de Lavagna (S), Julie, Princesse Doria (MS), Gianettino Doria (B), Borgonino (B), Sacco (T), Romano (Bar), 3 Sentinelles (TBB), Coryphée (B), Un homme du peuple (T), Un page (S); Chœur
Orchester: Pte fl.2.2 (ou cor angl).2 (II ou clar. b).2. – 4.4 (III–IV ou cnt à pist.).3.Oph. (ou Tb) – Timb., Gr. c., Cymb., Tamb., Trgl, Cloches – Cordes ; Bühnenmusik: 2.2.2.2. – 0.0.0.0. – Trgl
Den Opernkennern ist vor allem Le roi d’Ys von Édouard Lalo ein Begriff, doch auch seine erste Oper von 1868 ist heute zugänglich: Fiesque wurde, trotz seiner musikalischen Qualitäten, erst in dieser Ausgabe von Hugh Macdonald erstmals veröffentlicht. 1868 hatte es bei einem Wettbewerb nur den dritten Preis erhalten und war daher nicht aufgeführt worden. Die Uraufführung erfolgte erst 2006, zunächst konzertant in Montpellier (unter der musikalischen Leitung von Alain Altinoglu mit Roberto Alagna als Fiesque), dann szenisch in Mannheim; auch eine CD-Einspielung aus Montpellier liegt vor. Damit kann das lyrische Drama nach Schillers Verschwörung des Fiesco zu Genua seinen Stellenwert unter den Bühnenwerken Gounods, Bizets, Saint-Saëns’ und Massenets behaupten.
Adolphe Adam: Le Toréador ou l’Accord parfait. Opéra bouffon in zwei Akten, Libretto von Thomas Sauvage. Hrsg. von Paul Prévost (BA 8701)
Besetzung: Coraline (S), Tracolin (T), Don Belflor (B ou Bar)
Orchester: 2 (I ou pte fl).2.2.2. – 4.2 Cnt à pist (ou Trp).3.0 – Timb., Trgl, Timbre – Cordes; Bühnenmusik: Flûte
1849 an der Opéra-Comique erstmals aufgeführt, steht diese komische Oper in zwei Akten und zehn Nummern mit ihrer musikalischen Eleganz und komischen Verve stellvertretend für den Stil des noch jungen Second Empire. Nach traditionellem Schema entspinnt sich die Kabale zwischen einem Hagestolz, der jungen Schönen und ihrem Liebhaber, doch die Moral des Ausgangs als harmonischer, „perfekter“ Dreiklang ist durchaus modern und lässt spüren, dass die Libretti nun nicht mehr dem Zwang der Zensur unterlagen.
Für jede Partie sind zwei Arien vorgesehen, als Flötist weiß Tracolin außerdem berühmte Melodien aus dem französischen Opernrepertoire beziehungsreich in sein Werben einzubeziehen. Kernstücke sind insbesondere die beiden Terzette. Die Variationsnummer über „Ah! vous dirai-je, maman“ ist das vielleicht zentrale Juwel, doch nicht nur hier verbinden sich sangliche Virtuosität und die Komik der Situation in brillanter Leichtigkeit.
Emmanuel Chabrier: L’Étoile. Opéra bouffe in 3 Akten, Libretto von Eugène Leterrier und Albert Vanloo. Hrsg. von Hugh Macdonald (BA 8708)
Besetzung: Ouf 1er (T), Lazuli (MS), La Princesse Laoula (S), Siroco (B), Hérisson de Porc Épic (T), Aloès (MS), Tapioca (T), Patacha (T), Zalzal (Bar), 6 Desmoiselles d’honneur (3 S, 3 MS), Le Maître (B), Le Chef de la police (gespr. Rolle), Le Maire (stumm), Un Page (stumm); Chœur: Peuple, Gardes, Hommes et Dames de la cour
Orchester: 2 (ou ptes fl).1.2.1. – 2.2Cnt à pist.1.0. – Timb., Cloches, Gr. c., Cymb., Trgl – Cordes
L’Étoile, Chabriers Durchbruch auf der Bühne, ist eine typische Opéra bouffe in Nummernform mit gesprochenen Dialogen und in der Absurdität der Handlung und ihrem rabenschwarzen Humor typisch für die Zeit des späten Second Empire: In einem orientalischen Fantasiereich herrscht König Ouf, der seinen Geburtstag jährlich mit einer Hinrichtung feiert – dafür sucht er nun noch einen Gesetzesübertreter, und trifft auf Lazuli. Doch die Sterne gebieten dessen Schutz … Jede musikalische Nummer ist eine Delikatesse, mit bezaubernder Melodik und feinster Orchestrierung. Dass diese Wiederentdeckung inzwischen einen kleinen Siegeszug angetreten hat, ist also nur berechtigt. Die Neuausgabe stellt die im Autograph vorgesehene Konzeption mit zwei Sopranen (Aloès und Laoula, wobei Aloès etwas höher liegt) sowie Zalzal als Tenor wieder her, während Lazuli ein Mezzosopran mit weitem Ambitus ist.
(aus [t]akte 1/2017)