König Ludwig XV. hielt große Stücke auf Rameaus Daphnis et Églé (1753). Doch die Pastorale héroïque schaffte es nach den Aufführungen in Fontainebleau zu Rameaus Lebzeiten nie wieder auf die Bühne. Mit der Edition innerhalb der Opera omnia liegt nun eine verlässliche Ausgabe vor.
Der Opern-Einakter Daphnis et Églé erlebte am 29. Oktober 1753 in Fontainebleau vor König Ludwig XV. seine einzige Aufführung. Weder in der Stadt noch am Hofe hat je eine weitere Aufführung stattgefunden, und auch zur Veröffentlichung des Werkes kam es niemals. Erst im Jahr 2014, zum 250. Todestag des Komponisten, wurde die Oper von William Christie und „Les Arts Florissants“ in einer modernen Inszenierung wieder zum Leben erweckt. Aufgrund ihrer geringen Bekanntheit wurde Daphnis et Églé – anders als Rameaus übrige Werke – nie überarbeitet. Die einzigen Änderungen, die uns heute bekannt sind, wurden während der Proben vorgenommen. In den Manuskript-Abschriften der Stimmauszüge sind die Änderungen deutlich zu erkennen. Sie umfassen lediglich die Umstellung der Reihenfolge bestimmter Tänze im zweiten Divertissement und die Streichung der Arietta des Églé „L’Amour règne sur nos cœurs“, die durch die Arietta der Daphne „Oiseaux, chantez“ ersetzt wurde. Die in der Arietta des Églé fehlende Vokalpartie musste wiederhergestellt werden. Zur Erstellung des Textes der vorliegenden Ausgabe wurden Rameaus autographes Manuskript (siehe Abbildung), die Stimmen und das Libretto von 1753 verwendet. Bei Unklarheiten haben wir außerdem das in den Fonds Decroix überlieferte Exemplar konsultiert. Der Anhang der Edition liefert die originale Version des zweiten Divertissements, das von Rameau während der Proben verworfen worden war.
Rameau hat den Auftrag zu Daphnis et Églé wohl Ende 1752 in Erwartung des geplanten Besuchs des Königs in Fontainebleau im Herbst 1753 erhalten. Leider enthält Collés privates Tagebuch, das Journal historique, keine Informationen zu der Zusammenarbeit von Librettist und Komponist, da Einträge aus den Jahren 1752 und 1753 fehlen. Doch ist klar, dass das Werk vor Ende des Sommers 1753 fertigstellt worden sein muss: Am 13. September 1753 stellte der Kopist Jean Rollet eine vom Komponisten gegengezeichnete Rechnung für die verschiedenen Abschriften von zahlreichen Partituren aus. Einer Notiz mit dem Titel „musikalische Proben in Paris“ zufolge wurden die Proben am 26., 27. und 29. September 1753 ebenso wie am 1., 3., 5., 10. und 11. Oktober des Jahres an der Académie royale de Musique abgehalten. Dieses Dokument ist besonders interessant, da es eine exakte Anzahl der Proben angibt.
Die Pastorale Daphnis et Églé wurde erst im Anschluss an verschiedene Festlichkeiten rund um die Geburt Xavier Marie Josephs, dem Duc d’Aquitaine, am 8. September 1753 aufgeführt. Wie zu der Zeit üblich, waren der Maréchal de Richelieu sowie der Direktor der Menus-Plaisirs (das Amt für Zeremonien, Feste und Feierlichkeiten) für die Organisation der verschiedenen Unterhaltungsprogramme verantwortlich. Für die Vorführungen war Rameau etwa 38 Tage in Fontainebleau anwesend, wie wir einer Rechnung des Menus-Plaisirs, die die Unterkünfte der Künstler auflistet, entnehmen können: Hier erfahren wir, dass Rameau und auch Louis de Boissy Unterkünfte in Fontaineblau im Haus eines gewissen Romet bewohnten. Wie auch alle anderen Künstler, die an den Feierlichkeiten teilnahmen, erhielt Rameau für seinen Besuch eine Bezahlung von 2.400 Pfund, die eine Gratifikation und Geld für Kost und Logis beinhaltete: Damit erhielt er eine höhere Summe als die Direktoren der Königlichen Kammermusik François Rebel und François Francœur, die je 1.200 Pfund bekamen.
Sylvie Boissou
(Übersetzung: Melissa Hauschild)
(aus [t]akte 2/2017)