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Rossinis „Maometto II“ in Bad Wildbad

Bild: Gentile Bellini (?): Sultan Mehmet II. der Eroberer (= Maometo II), National Gallery London

Gioacchino Rossini
Maometto Secondo
Hrsg. von Hans Schellevis. Opere di Gioachino Rossini
Erstaufführung nach der Neuedition: 14.7.2012 Santa Fe Opera. Musikalische Leitung: Frédéric Chaslin, Inszenierung: David Alden (weitere Aufführungen 18., 27.7., 2., 7., 16.8.2012)
Personen: Paolo Erisso, Gouverneur der Venezianer in Negroponte (Tenor), Anna, seine Tochter (Sopran), Calbo, ein venezianischer General (Alt), Condulmiero, General (Tenor), Maometto II (Bass), Selimo, sein Vertrauter (Tenor) – Chor: Frauen aus Negroponte, muslimische Krieger, muslimische Mädchen, venezianische und muslimische Soldaten
Orchester: 2,2,2,2 – 4,2,3, Serpent – Hfe – Pk, Schlg – Str – Banda
Verlag: Bärenreiter, Aufführungsmaterial leihweise

Noch relativ unbekannt ist Rossinis Oper Maometto Secondo, die einen orientalischen Stoff aus dem 15. Jahrhundert aufgreift und ihn mit der obligatorischen Liebesgeschichte verbindet.  Im Juli wird das fulminante Werk in Santa Fe (USA) erstmals mit dem Urtext der Rossini-Werkausgabe bei Bärenreiter aufgeführt.

Rossinis Maometto Secondo ist eine Oper, in der Liebe und Pflicht einander gegenüberstehen. Anna war früher in Maometto (Mehmed, den Eroberer Konstantinopels) verliebt, der den falschen Namen Uberto trug. Er will sie als Königin des eroberten Italien für sich gewinnen, sie aber bleibt bei ihrem Volk, ihrem Vater (dem Gouverneur Erisso) und bei Calbo, ihrem Möchtegern-Liebhaber und späteren Ehemann. Maometto glaubt, das venezianische Negroponte (Euböa) erobert zu haben, doch seine Rache gegen Erisso und Calbo gerät ins Stocken, als Anna behauptet, dass diese ihr Vater und ihr Bruder seien. Er vertraut ihr, sie aber weigert sich standhaft, ihren Gefühlen für ihn nachzugeben. Schließlich rettet sie Erisso und Calbo, die die Streitkräfte gegen Maometto und seine Armee anführen. Am Ende bringt Anna sich um.

Eine kritische Ausgabe vorzulegen, ist keine einfache Aufgabe. Rossini selbst lag diese Oper besonders am Herzen, und als sie im ersten Anlauf in Neapel (wo sie am 3. Dezember 1820 am Teatro San Carlo ihre Premiere feierte) zunächst erfolglos blieb, legte er sie erneut zur Eröffnung der Karnevalssaison am 26. Dezember 1822 am Teatro La Fenice in Venedig auf. Dort war ihr jedoch ebenfalls kein gutes Schicksal beschieden. Am 9. Oktober 1826 wurde das Werk schließlich – in einer französischen Fassung – Rossinis Erstling an der Pariser Opéra. Obwohl sie dort verhältnismäßig gut aufgenommen wurde, war auch diese Version nicht übermäßig erfolgreich; sie ebnete jedoch den Weg für Rossinis Erfolge in Frankreich: Moïse (1827), Le Comte Ory (1828) und Guillaume Tell (1829). In einer langen Reihe von Anpassungen griff der Komponist mehrfach in seine eigene Partiturhandschrift ein, so dass die vielen Elemente das Nachvollziehen des Notentextes stark erschweren. Das Ende des Duetts von Maometto und Anna (Nr. 7) etwa wurde für Venedig neu gefasst, wobei im letzten Abschnitt nun die Banda spielt. Maomettos Szene und Arie (Nr. 8) wurde umfassend geändert bzw. gekürzt, außerdem schrieb Rossini in der venezianischen Fassung die Gesangslinie von Calbos Arie (Nr. 9) vollständig für Anna um. Durch das gesamte Autograph (Rossini-Stiftung, Pesaro) ziehen sich diese und weitere Änderungen; daher enthält es keine vollständige Version des Werks.

Die Bärenreiter-Ausgabe nimmt die neapolitanische Fassung von 1820 zur Grundlage, die von den Herausgebern als die beste angesehen wird und auch bei der Premiere der neuen Edition im Sommer in Santa Fe Verwendung findet; sie enthält allerdings die venezianische Revision von 1822 im Anhang (einschließlich einer Ouvertüre und eines Terzetts, die beide eigens für Venedig neu eingerichtet wurden). Bei der französischen Fassung sind die Probleme wesentlich komplizierter, weshalb diese Version separat erscheinen wird. Bereits 1820 war es kein einfaches Unterfangen: Rossini schrieb seine Oper inmitten des „Carbonari-Aufstands“ gegen die Herrschaft der Bourbonen in Neapel. Viele Textpassagen verweisen auf die italienische Unabhängigkeit, doch andere Stellen schienen Rossini übermäßig derb. Das Finale etwa komponierte er nicht so, wie es sein Librettist, der Graf von Ventiganano, vorgesehen hatte. Anna begeht lieber Selbstmord, als sich dem Mann zu ergeben, den sie liebt – dem vermeintlichen Eroberer Maometto II. Anstatt mit patriotischen Gefühlen zu enden („E tu che Italia … conquistar … presume …“), tötet Anna sich stumm, während die Umstehenden schlicht ihr Bedauern ausdrücken („Oh giorno di dolor!“).

Es genügt nicht, das Material aus Pesaro zu verwenden, denn Rossini selbst verwendete den Chor zu Beginn des zweiten Akts auch in Il viaggio a Reims für Paris (die Handschrift befindet sich in der New York Public Library). Andere Abschnitte sind dagegen gar nicht im Autograph zu finden: Ihretwegen hatte der Herausgeber Zugang zu allen noch existierenden Zweitquellen, insbesondere zu einer Abschrift, die in Neapel angefertigt wurde. Sie ist eng mit demjenigen Autograph verwandt, das die ursprüngliche Fassung repräsentiert haben muss. Sind all diese Anstrengungen letztlich die Mühe wert? Ohne Zweifel, denn Maometto Secondo ist eine der großartigsten Opere serie des neunzehnten Jahrhunderts.             

Philipp Gossett
(Übersetzung: Felix Werthschulte / JM)
(aus [t]akte 1/2012]

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