Die Uraufführung von Jean-Philippe Rameaus Comédie-Ballet „Les Paladins“ war ein Misserfolg, von dem sich das Werk lange nicht erholte. Heute erscheint es uns als ein Juwel mit vielen Möglichkeiten zur Realisierung auf der Bühne.
Jean-Philippe Rameaus Les Paladins wurden im Februar 1760, als letztes Bühnenwerk Rameaus, an der Académie royale de musique in Paris aufgeführt. Trotz der günstigen Terminierung während des Karnevals brachte es das Werk nur auf ein gutes Dutzend Vorstellungen und wurde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nicht wieder aufgeführt. Doch heute ist uns angesichts der Fülle musikalischer Schätze und der stilistischen Neuerungen die eisige Aufnahme durch die Zeitgenossen unverständlich.
Das Comédie-Ballet auf ein anonymes Libretto, das Pierre-Jacques Duplat de Monticourt zugeschrieben wird, basiert auf La Fontaines Fabel „Le Petit chien qui secoue de l’argent et des pierreries“. In einem romanhaften mittelalterlichen Venetien hintertreibt Anselme die Liebesgeschichten seines Mündels Argie. Kritisiert wurde das Libretto vor allem für seine Mischung tragischer und komischer Gattungselemente. Tatsächlich übertreibt der Librettist der Paladins, indem er Sequenzen extrem tragischen Ausdrucks (der Monolog der Argie, Höllenszene) direkt neben ganz volkstümlich-komische stellt (Verführungsszene Orcans); die sexuell uneindeutige Fee Manto brachte schließlich die für die Verhältnisse der Opéra de Paris zu kühne Oper zu Fall.
Die Quellen bestätigen, dass die Oper bereits Mitte der 1750er Jahre komponiert wurde, und so ist es gewiss nicht falsch, Les Paladins als Rameaus musikalische Antwort auf die Debatte zu lesen, die in Paris im sogenannten Buffonistenstreit aufkam. Während dieser Auseinandersetzung hatte sich Rameau nicht zu Wort gemeldet (von seiner Antwort auf Rousseaus Lettre sur la musique française einmal abgesehen). Mit Les Paladins schlug Rameau ein neues Opernmodell vor. Bestimmte Elemente wie der Verzicht auf das Zauberische und das Mythologische überhaupt, die realistische Intrige bei komischer Behandlung gewisser dramatischer Situationen und auch die leichte Streicherorchestrierung erinnern an den italienischen Stil, während andere der französischen Tradition folgen, zum Beispiel die getanzten Divertissements, der tragische Monolog, die Vogelsangarie oder die Höllenszene. All diese verschiedenartigen Elemente kommen zusammen und bilden eine hybride Form, im Ton nahe der Opéra-comique, die weder ganz italienisch noch ganz französisch ist und so beide Lager hätte zufriedenstellen können.
Im Unterschied zur traditionellen Struktur französischer Opernlibretti, deren Partien zumeist eher kurz sind, verlangt Les Paladins vier Hauptrollen ähnlichen Umfangs. Die besten Sänger des Opernensembles stellten sie damals dar, und in den Tänzen brillierten die bedeutendsten Tänzer des Opernballetts, all dies in üppiger Instrumentierung, die an die instrumentalen Kühnheiten der Boréades erinnert. Nachdem Rameau die Komposition bereits abgeschlossen hatte, bewog ihn die Nominierung neuer Hornisten im Orchester der Opéra dazu, über weite Strecken den Klang ihrer Instrumente stärker zur Geltung zu bringen.
Im Verlauf der Aufführungen überarbeitete Rameau Les Paladins stark und reagierte damit auf die öffentliche Kritik. Die innerhalb der Opera omnia Rameau erscheinende kritische Erstausgabe bietet die Fassung letzter Hand vom Ende der Aufführungsserie im März 1760, ergänzt um etliche Anhänge, die es ermöglichen, die erste Fassung zu spielen, wie sie ursprünglich für die Aufführung bei Hofe vorgesehen war. Zu Lebzeiten Rameaus blieben Les Paladins unveröffentlicht, und auch in den bei Durand erschienenen Œuvres complètes war der Titel nicht enthalten. Somit handelt es sich hier um die erste Ausgabe, die zugleich wissenschaftlichen Kriterien genügt und die praktischen Bedürfnisse der Musiker erfüllt.
Thomas Soury
(aus „[t]akte" 1/2019)