Händels Serenata „Parnasso in festa“ ist ein echtes Pasticcio mit vielen Wiederverwendungen aus vorhandenen Werken. Dennoch lohnt sich eine szenische Aufführung, wie sie im Rahmen der Händel-Festspiele Halle in Bad Lauchstädt geplant ist.
Bei den Händel-Festspielen 2018 in Halle erklingt zum ersten Mal Georg Friedrich Händels Hochzeitsserenata Parnasso in festa nach dem Notentext der Hallischen Händel-Ausgabe. Die Edition der HHA, die den korrekten Titel trägt (der in der Literatur häufig gebrauchte Titel Il Parnasso in festa scheint auf die Chrysander-Ausgabe von 1878 zurückzugehen), bildet die Fassung der ersten Aufführungen im März 1734 ab. Drei Anhänge rekonstruieren die komplizierte Fassungsgeschichte der zum Teil sehr verschiedenen Wiederaufnahmen von 1737, 1740 und 1741 und enthalten verworfene und veränderte Musiksätze sowie die Darstellung der vorgenommenen Änderungen von Bühnenfiguren.
Händel komponierte Parnasso in festa anlässlich der Hochzeit von Prinzessin Anne, der Princess Royal, und dem niederländischen Prinzen Wilhelm IV. von Oranien, die am 14. März 1734 in London stattfand. Die Serenata war Händels Beitrag zu den öffentlichen Feierlichkeiten und wurde am Vorabend der Trauung unter Anwesenheit des Brautpaares im King’s Theatre am Haymarket aufgeführt.
Während der italienische Text der Serenata eine Neudichtung vermutlich von Giacomo Rossi ist, stellt die Musik zum großen Teil eine Zusammenstellung bereits vorhandener Stücke aus verschiedenen Werken Händels dar. Von den insgesamt 32 Gesangsnummern entlehnte Händel 20 aus seinem englischsprachigen Oratorium Athalia (HWV 52), das am 10. Juli 1733 in Oxford erstaufgeführt worden und im März 1734 in London noch nicht erklungen war. Weitere Entlehnungen stammen aus Radamisto (HWV 12a), Il trionfo del Tempo e del Disinganno (HWV 46a) und Delirio amoroso (HWV 99). Nur acht Gesangsstücke sowie die Sinfonia zu Beginn des 3. Teils und der Eingangsteil der Ouvertüre sind neu komponiert. Diese Werkgestalt spiegelt sich in der Quellenlage wider: Es existiert keine autographe Kompositionspartitur der gesamten Serenata, dafür stellt die Direktionspartitur eine Gemeinschaftsarbeit von Händel und seinem Hauptkopisten John Christopher Smith senior dar. Kompositionspartituren einzelner neu geschriebener Stücke sind erhalten.
Als Hintergrund der Handlung wurde ein dem hohen Anlass entsprechendes Thema aus der griechisch-römischen Mythologie gewählt: die Verbindung von Peleus, dem König der Myrmidonen von Phthia in Thessalien, mit der Nereide Thetis. Den Mythos der Meeresnymphe, die sich durch Verwandlungen der Werbung Peleus’ zu entziehen versuchte, schließlich seufzend nachgab und ihren Sohn Achill empfing, erzählte u. a. Ovid im XI. Buch seiner Metamorphosen, Vers 221–265. Die anschließende Hochzeit, zu der die olympischen Götter geladen waren, wurde von Catull in seinem 64. Carmen beschrieben. In der Serenata nun lädt Apollo die Bewohner des Berges Parnass zu einem Fest ein, das anlässlich dieser Hochzeit begangen wird. Verschiedene Musen, Götter, Nymphen, Hirten und weitere mythologische Figuren eilen herbei, um dem Brautpaar zu huldigen. Doch die Feierlaune wandelt sich zweimal durch rückblickende Episoden zu Wehmut und Schmerz: Man erinnert sich an die großen Liebestragödien von Apollo und Daphne sowie von Orpheus und Eurydike.
Teresa Ramer-Wünsche
(aus [t]akte 1/2018)