Das höfische Opéra-Ballett „Les Fêtes d'Hébé“ wurde im Mai 1739 in Paris an der Académie royale de musique uraufgeführt und war sofort überaus erfolgreich. Wahrscheinlich hatte Rameau mit einem solch durchschlagendem Erfolg für sein Werk gar nicht gerechnet, das er offenbar sehr schnell auf ein Libretto dilettierender Autoren komponiert hatte, die sich an der Opéra die gleiche Loge teilten: Antoine-César Gaultier de Montdorge und Louise-Angélique Rondin de La Tournerie. Die Idee, ein Libretto zu einem Ballett zu schreiben kam ihnen infolge der Aufführungen von „Les Indes galantes“ im Jahr 1735. In diesem Jahr hatte Rameau seine Tragödie Samson nach einem Libretto von Voltaire wegen der Zensur nicht zur Aufführung bringen können, und so beschloss er, einen Großteil der Musik aus Samson in der Partitur von „Les Fêtes d'Hébé“ wiederzuverwenden.
Als Novizen in der Kunst des Verseschreibens wurden Montdorge und Madame Bersin von zwei renommierten Dramatikern unterstützt, dem Abbé Simon-Joseph Pellegrin und Pierre-Joseph Bernard (bekannt als Gentil-Bernard). Die Autoren der Texte bauten ihr Ballett um das Thema der Talente auf, die üblicherweise in der Oper vorgeführt und alle in den Dienst der Liebe gestellt werden: die Kunst der Verse und der Deklamation (Poesie), die Kunst des Gesangs und der Harmonie (Musik) und schließlich die Kunst der Choreographie (Tanz), vereint in einem einzigen Werk, daher der alternative Titel des Balletts, „Les Fêtes d'Hébé ou Les Talents lyriques“.
Seit seiner ersten Aufführung stieß das Werk beim Publikum, das in Scharen strömte, auf großen Beifall. Lediglich die Entrée „La Musique“ missfiel wegen des figurativen Balletts, das als nicht deutlich genug empfunden wurde, um Iphise den Sieg ihres Geliebten Tirtée erahnen zu lassen. Doch handelte es sich hierbei um eine damalige Neuheit, die, inspiriert von dem wunderbaren Ballett „Les Fleurs“ aus „Les Indes galantes“, ein Zeugnis für Rameaus Interesse an der Kunst der Choreographie ist. Im Juni 1739 erarbeiteten Komponist und Librettisten eine neue Fassung dieser Entrée, die das Paar Iphise und Tirtée stärker in den Mittelpunkt rückt und die überflüssige Rolle des Königs Licurgue eliminiert. Damit war der Triumph der „Fêtes d'Hébé“ gesichert. Die zahlreichen Wiederaufnahmen der „Fêtes d'Hébé“ und die Kritiken der Presse belegen den anhaltenden Erfolg des Balletts beim Pariser Publikum: es wurde im Juli 1747 (mit einigen Änderungen) wiederaufgenommen, dann im Mai 1756 und schließlich im Juni 1764. Auch in Lyon gelangte es 1740 und 1749 zur Aufführung. Danach wurden nur noch die Akte „La Musique“ und „La Danse“ (bis 1775 bzw. 1778) regelmäßig an der Pariser Oper und bei Hofe nachgespielt.
Die kritische Neuausgabe wurde basierend auf den Orchestermaterialien zusammengestellt, die die Sänger und Musiker der Opéra zwischen 1739 und 1764 verwendet hatten. Sie präsentiert im Hauptteil die Fassung vom Juni 1739 mit Prolog, „La Poésie“, „La Musique“ (2. Fassung) und „La Danse“, im anschließenden Anhang die Änderungen von 1747, 1756 und 1764 sowie „La Musique“ in der ersten Fassung. Das genaue Studium des ursprünglichen Aufführungsmaterials dieses Aktes, das in der Opéra Garnier in Paris aufbewahrt wird, ermöglichte es erstmals, die genaue Instrumentierung wiederherzustellen sowie die Lücken in der von Rameau 1739 gestochenen Ausgabe zu füllen. So war es möglich, die originale Kontrabassstimme – unabhängig von den Basses de Violon (dem späteren Violoncello) – zu rekonstruieren, was eine sehr originelle Verwendung dieses Instruments an der Pariser Oper zu Rameaus Zeiten bezeugt, dessen Aufgabe es war, das harmonische Fundament zu verstärken.
Pascal Denécheau
(Juni 2021 / Übersetzung Annette Thein)