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Raffiniert orchestriert. Jean-Philippe Rameaus Oper „Castor et Pollux“

Jean-Philippe Rameau
Castor et Pollux. Tragédie en cinq actes. Version 1754 RCT 32B. Livret de Pierre-Joseph Bernard
Hrsg. von Denis Herlin. Opera omnia Rameau IV/23
Erste Aufführung (konzertant) mit der Neuedition: 21.3.2014 Paris (Opéra comique), Ensemble Pygmalion, Leitung: Raphael Pichon
Besetzung: Pollux (Bass), Castor (Countertenor), Télaïre (Sopran), Phoebé (Sopran), Jupiter (Bass), Mercure (Countertenor), Cléone (Sopran), Oberpriester (Bass), Spartaner (Countertenor), Dienerin der Hébé (Sopran), Glücklicher Schatten (Sopran) – Chor
Orchester: 2 Picc,2,2,0,2 – 0,1,0,0 – Pk – Str, Bc
Verlag: Société Jean-Philippe Rameau, Vertrieb: Bärenreiter · Alkor, Aufführungsmaterial leihweise

Bilder: Augustin de Saint-Aubin: J.-Ph. Rameau / Castor und Pollux. Statue von Antoine Coysevox im Park von Versailles

Jean-Philippe Rameaus Oper Castor et Pollux war ein außergewöhnlicher Erfolg, allerdings erst in der umgearbeiteten Fassung von 1754. Zu diesem Werk erschien nun das Aufführungsmaterial. Der Band der Gesamtausgabe wird folgen.

Über Jean-Philippe Rameaus dritter Oper Castor et Pollux waltet bis heute ein ungewöhnliches Geschick. Als Tragédie lyrique mit Prolog und fünf Akten kam sie im Oktober 1737 an der Académie royale de musique zur Uraufführung, um erst siebzehn Jahre später, im Januar 1754, wieder aufgenommen zu werden. Die Umarbeitung eines eigenen Bühnenwerks ist bei Rameau nichts Außergewöhnliches, es gibt dafür zahlreiche Beispiele: unter anderem Dardanus (1739, 1744), Platée (1745, 1749) und Zoroastre (1749, 1756). Dass jedoch wie bei Castor et Pollux ein Werk so lange nach der Uraufführung vernachlässigt wird, mutet seltsam an. Zweifellos war Rameau über die laue Aufnahme der Premiere enttäuscht, und er nahm sich die Umarbeitung der Oper nur auf Druck der beiden Direktoren der Académie royale de musique, François Rebel und François Francœur, vor. Diese sahen genau wie Rameau in der Wiederaufnahme von Castor et Pollux ein geeignetes Mittel, um im tobenden Bouffonistenstreit gegenüber den Anhängern der italienischen Opera buffa den Beweis für Vorrangstellung, Einfluss und Größe des französischen Stils zu liefern.

Für die neue Version strich Rameau den Prolog und ließ Pierre-Joseph Gentil-Bernard das Libretto umschreiben. Rameau schrieb einen neuen ersten Akt und zog die ursprünglichen fünf Akte zu vier zusammen, wobei er die leicht modifizierten Akte III und IV von 1737 zu einem neuen vierten Akt umarbeitete. Aus den ebenfalls mit einigen Änderungen versehenen Akten I, II und V von 1737 wurden in der neuen Fassung die Akte II, III und V. Die ursprüngliche Liebesgeschichte von den Schwestern Télaïre und Phoebé und den Brüdern Castor und Pollux wurde vereinfacht, wobei die Freundschaft der beiden Brüder größere Bedeutung bekam. Gleich zu Beginn des ersten Akts verzichtet Pollux zugunsten seines Bruders Castor auf die Liebe zu Télaïre; am Ende desselben Akts wird Castor auf Betreiben der eifersüchtigen Phoebé von Lincée umgebracht. Nachdem er den Reizen der „Plaisirs“ widerstanden und die Monster der Unterwelt bezwungen hat, opfert Pollux seine Unsterblichkeit, indem er sich bereit erklärt, den Platz des Bruders in der Unterwelt einzunehmen, damit dieser seine Télaïre zurückbekommt. Dieses Opfer lässt Jupiter nicht ungerührt. Er gewährt Castor und Télaïre Unsterblichkeit und weist ihnen als Sternbild einen Platz neben Pollux zu.

Ganz anders als bei ihrer Uraufführung von 1737 feierte Castor et Pollux im Januar 1754 einen glänzenden Erfolg, und danach wurde das Werk bis zum Mai 1755 regelmäßig gespielt. Im November 1763 fand eine Aufführung am königlichen Hof statt, und im Januar 1764, also sechs Monate vor dem Tod des Komponisten, begann eine Aufführungsserie an der Académie royale de musique, die bis Juni 1765 dauerte. Auch von 1770 bis 1782 wurde das Werk regelmäßig aufgeführt – ein untrüglicher Beleg für seine Popularität.
Dank eines vor Kurzem entdeckten Manuskripts, das in vielem mit dem von Rameau in den letzten Monaten des Jahres 1753 ausgearbeiteten Autograph übereinstimmt, findet diese zweite Fassung mit ihrer gestrafften Handlung zu einer glänzenden, raffinierten Orchestrierung zurück. Die neue kritische Edition enthält im Anhang die Zusätze und Änderungen, die Rameau in seinem ihm eigenen Perfektionsdrang für die Wiederaufnahme der Oper 1763/1764 vornahm. So zeigt sich diese Fassung, die heute unberechtigterweise im Schatten der Version von 1737 steht, in ihrer vollen dramatischen Kraft und Größe.

Denis Herlin
(Übersetzung: Irene Weber-Froboese)
(aus [t]akte 1/2014)

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