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Der Triumph der Komödie. Antonio Cestis „L’Orontea“ – Wiederbelebung in Frankfurt

Antonio Cesti
L’Orontea
Hrsg. von Álvaro Torrente (Musik) und Nicola Badolato (Libretto)
Erstaufführung nach der Edition: 1.2.2015 Oper Frankfurt, Musikalische Leitung: Ivor Bolton, Inszenierung: Walter Sutcliffe
Personen: Orontea, Creonte, Tibrino, Aristea, Alidoro, Gelone (Akt 1), Gelone (Akt 2–3), Corindo, Silandra, Giacinta
Orchester: Violino I/II, Basso continuo
Dauer: ca. 3 Stunden
Verlag: Bärenreiter, Aufführungsmaterial leihweise
Szenenfotos Frankfurt: Monika Rittershaus

Antonio Cestis Oper L’Orontea aus dem Jahr 1656 ist zurück auf der Bühne. Die Oper Frankfurt setzte das witzige Stück auf den Spielplan und verwendete dabei erstmals die Neuausgabe von Álvaro Torrente.

Die Premiere von Antonio Cestis L’Orontea fand 1656 in Innsbruck, am Hof von Erzherzog Ferdinand Karl statt, Enkel des Herzogs Ferdinand von Toskana, der seinerzeit die ersten Gehversuche der Kunstform Oper in Florenz protegiert hatte. Neben Francesco Cavallis Oper La Giasone ging L’Orontea als die erfolgreichste Oper des späten 17. Jahrhunderts in die Geschichte ein: In einer Zeitspanne von 30 Jahren wurde sie nahezu 20 Mal wiederaufgenommen und eroberte nicht nur die italienischen Bühnen, sondern wurde ebenfalls in Hannover, Wolfenbüttel, Wien und Chantilly gezeigt. Die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis dieses Werks kann mit der dem Libretto inhärenten Komik einerseits und dem lyrischen Charakter der Partitur andererseits beantwortet werden.

Als Quelle der Inspiration diente das spanische Modell der „Comedia nueva“, gleichzeitig finden sich alle archetypischen Figuren der venezianischen Oper wieder: zwei adelige Liebespaare, deren Schicksalsfäden miteinander verwoben werden (die Königin Orontea, der Maler Alidoro, die Hofdame Silandra  und der Höfling Corindo) sowie eine Auswahl an Typen: der Hofphilosoph Creonte, die „Vecchia“, die alte Aristea (Alidoros angebliche Mutter), der junge Page Tibrino, der Diener Gelone und die junge Giacinta (die zunächst in Männerkleidern und unter dem Namen Ismero auftritt).

Die Verwirrung beginnt, als Orontea Creontes Ermahnung zur Heirat abweist und sich direkt im Anschluss in den Maler Alidoro verliebt. Ihre Liebeserklärung, die sie dem schlafenden Alidoro in Briefform hinterlässt, ist eine Traumszene, wie sie für die venezianische Oper typisch war. Weiterhin sorgt die Wendung innerhalb der Handlung für die geforderte Spannung: Die Komplikationen innerhalb des dritten Aktes, die Entdeckung von Oronteas Liebe zu Alidoro sowie das in der Luft liegende Duell zwischen Alidoro und Corindo dürften das Publikum nicht minder begeistert haben. Das Ende wird durch eine klassische Wiedererkennungsszene ermöglicht: Aristeas Versuch, Ismeros Aufmerksamkeit zu erlangen, kulminiert darin, dass sie ihm ein goldenes Medaillon schenkt. Wie sich herausstellt, stammt dieses Medaillon von Tolomeo, womit zunächst Alidoro und schließlich Aristea unter dem Verdacht des Diebstahls stehen. Die Auflösung bringt Alidoros wahre Identität ans Tageslicht: Als Sohn und Erbe des kürzlich verstorbenen Königs von Phönizien steht einer Heirat mit Orontea nichts mehr im Wege. 


Welche Stimme welche Rolle?

Die Besetzung von L’Orontea gehört zu den umstrittendsten Themen der Oper des 17. Jahrhunderts und ist konsequenterweise ebenso ein zentraler Aspekt im Rahmen der Frankfurter Erstaufführung.

Es gibt keine erhalten gebliebenen Quellen, die darüber Auskunft geben würden, welche Sänger welche Partien übernommen haben; die vier vorhandenen Partiturabschriften lassen auf zwei unterschiedliche Aufführungstraditionen schließen: in den drei Fassungen, die sich in italienischen Bibliotheken befinden, ist die Rolle des Gelone für einen Bass notiert, der üblicherweise als der erste „basso buffo“ der Operngeschichte bezeichnet wird. Der „primo uomo“ Alidoro hingegen ist für einen Tenor geschrieben. In der vierten Fassung, die für Venedig entstand, aber im Wellesley College in Cambridge aufbewahrt wird, ist Alidoro für einen Alt geschrieben, also typisch für eine männliche Hauptpartie, und für Gelone findet sich eine rätselhafte Stimmkombination: Im ersten Akt singt er im Bariton-Register und wechselt in die Tessitura eines Altus im zweiten und dritten Akt. Diese seltsame Kombination hat die Forschung zum überwiegenden Teil zu dem Schluss kommen lassen, dass es sich bei der Partitur in Cambridge um eine fehlerhafte Version handelt, die sich aus zwei Traditionen speist, obwohl eine weitere plausible Erklärung hierfür gefunden werden kann:  Zunächst gibt es stückimmanente Gründe, wieso Gelone das Stimmfach wechselt: Oronteas komischer Diener ist für den gesamten ersten Akt betrunken, preist sowohl Wein als auch Bacchus bis er schließlich sturzbesoffen am Ende des ersten Aktes zusammenbricht. In dem Moment, in dem Gelone innerhalb des zweiten Aktes wieder auf der Bühne erscheint, ist er – seinen Worten nach zu schließen – gerade erst aus einem tiefen Schlaf erwacht. Da wechselt er die Tessitura vom Bariton zum Altus und bleibt nüchtern bis zum Ende des Stücks.

Als zweite Erklärung kann man das Ensemblemitglied von Cestis Truppe anführen, nämlich Giulio Cesare Donati, der in der heutigen Forschungsliteratur entweder als Bass oder Sopran geführt wird. So unglaubwürdig dies klingen mag, bereits zu Zeiten Monteverdis kultivierten italienische Sänger eine Technik, die als „bass alla batarda“ bekannt war. Dabei wurde einerseits die Bruststimme benutzt und darüber hinaus noch das Falsett eingesetzt, um bis zu drei Oktaven abzudecken. So singt Gelone mit Baritonstimme, wenn er unter Alkoholeinfluss steht, während er in dem Moment ins Falsett wechselt, sobald er sich in nüchternem Zustand befindet.


Das Orchester: Wie besetzen?

Wie bei den meisten Opern aus dieser Epoche gibt die Partitur nicht darüber Aufschluss, welche Instrumente in dieser Produktion verwendet wurden. Wenngleich die Überlieferungen über das Innsbrucker Hoforchester bruchstückhaft sind, wissen wird, dass es zu gewissen Zeiten bis zu sechs Violinisten beinhaltete (von denen zwei auch Trompete spielten), zwei Zinken, ein Fagott, eine Barockposaune sowie eine Viola da gamba, zusätzlich zu zwei Cembalisten  und einem Organisten. An die Stelle des schlichten Klangs der kommerziellen Theater Venedigs, in denen das sparsam besetzte
Orchester zwei Violinen und die Continuo-Gruppe vorsah, konnte sich Cesti in Innsbruck einer prächtigen instrumentalen Palette bedienen.
Cestis Partitur stellt die perfekte musikalische Auskleidung von Cicogninis Libretto dar; sie ist voll von melodischem Einfallsreichtum und einprägsamen Arien, abgestimmt auf jede Figur. So zum Beispiel Oronteas zärtliches „Intorno all’idol mio“ oder ihre finale Erklärung „Innocente mio tesoro“ in g-Moll. Giacintas Erklärung ihrer unerwiderten Liebe zu Alidoro manifestiert sich in „Mie pene“, Gelones komische Ehrerbietung gegenüber Bacchus in seiner tänzerischen Arie „Qui non beve“. Das Libretto bietet Raum für hervorhebenswerte Duette, die sich in den Liebesszenen zwischen Silandra und Corindo, bzw. Silandra und Alidoro finden. Als hervorstechendstes Merkmal ist jedoch die perfekte Integration aller melodischen Höhepunkte zu nennen: Mittels einer geschmeidigen Musik versteht es Cesti, die Handlung in den Rezitativen voranzutreiben und weder Langeweile noch Routine aufkommen zu lassen.

Álvaro Torrente
(aus [t]akte 1/2015)

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