Zu den Gewinnern auf den Opernspielplänen und in den letzten Jahren und besonders in seinem Gedenkjahr gehört Joseph Haydns ohne Zweifel. Ein Blick auf zwei der beliebtesten Werke.
Ohne Übertreibung kann man das Haydn-Jahr 2009 als Haydn-Opern-Jahr bezeichnen. Es liegen inzwischen nicht nur alle Opern Haydns auf CD vor (mit Ausnahme der nur fragmentarisch überlieferten La Marchesa Nespola), sondern zahlreiche Opernhäuser und Festivals haben sich Haydn als Opernkomponisten angenommen. Im Rahmen der Haydn-Gesamtausgabe konnte die Reihe der Opern mit der 1779 komponierten Azione teatrale L’isola disabitata abgeschlossen werden, die in vielfacher Hinsicht in Haydns Schaffen eine Besonderheit darstellt.
Haydn setzte sich in L’isola disabitata über die musikalischen Konventionen seiner Zeit hinweg, indem er alle Rezitative instrumentierte und damit den traditionellen Kontrast zwischen Rezitativen und Arien relativierte. Entstanden ist ein Kammerstück, das in der Konzentration auf nur vier Protagonisten und einen (exotischen) Schauplatz einen musikalischen und menschlich-psychologischen Kosmos eröffnet. Die tief verletzte Costanza geht davon aus, dass ihr frisch angetrauter Ehemann Gernando sie vor 13 Jahren auf einer unbewohnten Insel zurückließ; ihre jüngere Schwester Silvia hat aufgrund von Costanzas ständigen Klagen über die Grausamkeit der Männer eine panische Angst vor diesen ihr unbekannten Wesen entwickelt, die sie im Verlauf der Handlung im Erfahren der ersten Liebe abschütteln wird. Gernando kehrt nach jahrelanger Gefangenschaft auf der Suche nach seiner geliebten Costanza auf die Insel zurück, begleitet von seinem Freund Enrico, der Gernando sein Leben verdankt und die Aufmerksamkeit der über sich selbst verwunderten Silvia auf sich zieht. Das Happy End ist unvermeidlich. Dass diese Kammeroper im Haydn-Jahr besonders viele Theater gereizt hat, ist verständlich. Szenische Aufführungen fanden unter anderem in Biel/Solothurn, Bamberg und Innsbruck statt.
Die Neuausgabe bietet erstmals zwei Fassungen des Werks an: den Stand der Uraufführung sowie eine grundlegende Überarbeitung, die Haydn 1802 im Hinblick auf eine geplante Drucklegung des Stücks vornahm. Auf diese Weise ermöglicht sie einen tiefen Blick in Haydns Opernwerkstatt und bietet bei einer Aufführung die Möglichkeit, zwischen vom Komponisten autorisierten Alternativen auszuwählen. Haydn selbst war von der Qualität des Stücks überzeugt. Er hielt „diese Oper für eine gute Schule für angehende Componisten, wegen der Recitative; es sey ein Werkchen, das sich in seiner jezigen Gestalt auf jedem Privattheater aufführen lasse“.
L'infedeltà delusa
Eine weitere beliebte Oper des Haydn-Jahrs ist die komische Oper L'infedeltà delusa, die unter anderem in Potsdam zur Aufführung kam. Haydn zählte in seiner sogenannten autobiographischen Skizze von 1776 das drei Jahre zuvor komponierte Stück zu denjenigen seiner Werke, die „den meisten beyfall erhalten” hätten.
Szenisch und musikalisch arbeitet L'infedeltà delusa mit buffa-typischer Komik, mit Verkleidungen, Verstellungen, Verwandlungen und Verwechslungen. Sie dienen dazu, die geplante Hochzeit Sandrinas mit dem reichen Bauern Nencio zu verhindern und stattdessen die liebenden Paare zusammenzuführen. Haydn erweist sich als Spezialist für eine musikalische Kostümierung, indem er die unterschiedlichen Auftritte der Personen in seiner Vertonung umsetzte. Auch die Gefühle der Protagonisten arbeitete er ausgesprochen plastisch heraus.
Die Uraufführung fand zum Namensfest der Schwägerin des Fürsten Nikolaus Esterházy statt, bei dem Haydn als Kapellmeister wirkte. Wiederaufgenommen wurde die Oper anlässlich eines Besuchs von Kaiserin Maria Theresia in Schloss Eszterháza. Im Rahmen der glänzenden Feierlichkeiten wurde die Oper „mit großem Erfolg” aufgeführt. Dass Haydns Talente „in ganz Europa bekannt” seien, wie der in Wien gedruckte Bericht des Ereignisses vermeldet, gereichte nach der Auffassung des 18. Jahrhunderts auch dem Fürsten zur Ehre, der so seinen erlesenen Geschmack demonstrierte.
Wie breit das Spektrum des Musiktheaterkomponisten Haydn war, zeigt sich nicht nur an seinen weiteren Opern wie dem fantasievollen Il mondo della luna und der heroischen Armida, sondern auch daran, dass bei diesem Fest das Marionettentheater in Eszterháza mit Haydns Marionettenoper Philemon und Baucis eröffnet wurde. Diese Facette seines Schaffens lebendig zu erhalten, bleibt auch für die Zukunft eine lohnende und bereichernde Aufgabe. Kaiserin Maria Theresia jedenfalls zeigte sich mit Haydns Oper sehr zufrieden: „Wenn ich eine gute Opera hören will“, soll sie geäußert haben, „gehe ich nach Esterház.“
Christine Siegert
aus [t]akte 2/2009
Unvermeidliche Happy Ends. Opern im Haydn-Jahr 2009
Joseph Haydn
L'isola disabitata. Azione teatrale in due atti. Libretto: Pietro Metastasio
Hrsg. von Günther Thomas, Christine Siegert und Ulrich Wilker (Haydn Werke)
Personen: Costanza, Gernandos Frau (Sopran), Silvia (Sopran), Gernando, Costanzas Ehemann (Tenor), Enrico, Gernandos Freund (Bariton)
Orchester: 1,2,0,1 – 2,0,0,0 – Pk – Str
Verlage: Henle Verlag: Partitur (Haydn Werke),; Bärenreiter: Klavierauszug (it. /dt.) käuflich, Aufführungsmaterial leihweise
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L'infedeltà delusa. Burletta per musica in due atti. Libretto von Marco Coltellini. Hrsg. von Dénes Bartha und Jenö Vecsey (Gesamtausgabe Haydn Werke)
Personen: Vespina (Sopran), Sandrina (Sopran), Filippo (Tenor), Nencio (Tenor), Nanni (Bass)
Orchester: 0,2,0,2 – 2,0,0,0 – Pk – Str – Bc
Verlage: Henle Verlag: Partitur (Haydn Werke); Bärenreiter: Klavierauszug (it. /dt.) käuflich, Aufführungsmaterial leihweise.
Photos: L'infedeltà delusa” bei den Musikfestspielen Potsdam 2009 (Photo: Monika Rittershaus)