Erst 27 und schon hochgelobt und mehrfach ausgezeichnet. Camille Pépin steuert der Musik unserer Zeit eine neue Stimme bei.
So kurz die Laufbahn von Camille Pépin noch sein mag, inzwischen hat sie feste Formen angenommen, und die erst 27-jährige Komponistin hat in der Welt der Tonschöpfer ihren Platz längst gefunden. Pépin studierte u. a. bei Thierry Escaich, Guillaume Connesson und Marc-André Dalbavie am Pariser Conservatoire und wurde dort mit fünf ersten Preisen ausgezeichnet (für Instrumentierung, Analyse, Harmonielehre, Kontrapunkt sowie Fuge/Form). 2015 erhielt sie beim Kompositionswettbewerb „Ile de créations“ für ihr Orchesterstück Vajrayana den Preis der Jury. Seither erscheinen ihre Werke in dichter Folge, und die Auszeichnungen häufen sich, wobei die prämierten Kompositionen von Kammermusik bis zu Werken für großes Orchester reichen. Genannt seien hier: „Sonnets Hommage à H. Dutilleux“ für Sopran, Altflöte, Englischhorn, Fagott und Klavier (2016), „Lyrae“ für Streichquartett, Harfe und Schlagzeug (2017), „Mystical vibration“ für sechs Kornette (2016) sowie „La Source d’Yggdrasil“ für Orchester (2018).
Pépin beschäftigt sich immer wieder auf neue Art mit Kolorit, Formen und Klängen. Sie lässt sich von der Natur inspirieren, von anderen Komponisten oder von Dichtern wie Charles Baudelaire und James Joyce. Ein beliebiger Gegenstand kann als Vorlage für die Arbeit mit Klangmaterial und Form dienen, bevor er mit Beiwerk versehen und in die musikalische Sprache umgesetzt wird. Den Orchestersatz beherrscht Pépin perfekt, ihr Talent ist in der Fachwelt ganz und gar unbestritten. Schon ihre Lehrer waren von ihr begeistert, nun begeistert sie ihr Publikum. Denn obwohl Pépins Werke zuweilen von komplexer Konstruktion sind, bleiben sie immer zugänglich.
Das ist es zweifellos, was den weiblichen Anteil ihrer Tonsprache ausmacht: die Charakterstärke, die wie selbstverständlich gefestigte Persönlichkeit, die Neugier, die Suche nach neuen Klangwelten. Und dies alles geht stets mit Klarheit und Einfachheit einher, als wolle Pépin uns niemals fallen lassen. Sie experimentiert mit verschiedenen Besetzungen, sie überrascht und irritiert, wenn sie auf radikale Art in eine andere Atmosphäre wechselt, aber immer gibt es Orientierungspunkte, die verhindern, dass wir uns verlieren. Pépin hat unter Beteiligung der Rapper MC Solaar und Youssoupha, der Gruppe IAM und dem Duo Bigflo & Oli auch Rap instrumentiert und arrangiert wie z. B. in der „Hip Hop Symphonique“.
Wenn Camille Pépin auch immer wieder andere Wege einschlägt, um sich nicht zu wiederholen, und ihre Tonsprache auf wechselnde Problemstellungen austestet, so bleibt sie ihrem Kurs doch treu, so wie vor ihr Henri Dutilleux, von dem sie sich bei ihrer Arbeit inspirieren lässt. Sie macht sich mit ihrer Sensibilität und mit größter handwerklicher Sorgfalt eine starke musikalische Sprache zu eigen. Ihre poetische Welt erneuert sich immerzu und dreht sich dennoch um die gleichen Themen: Spiritualität, Mythen, Götter und Göttinnen, Universum und Natur. Man hört sich das Klavierquintett Luna an, das mit dem Licht und den spezifischen Klängen der einzelnen Instrumente spielt, um die nächtliche Reise des Mondes darzustellen, um dann mit dem Trio „The Road Not Taken“ auf einen lyrischen Spaziergang zu gehen, einem Stück, das ein melodisches Motiv mit einem einigermaßen repetitiven rhythmischen Abschnitt kombiniert, der eine erstaunliche Energie verströmt.
Was bei der Komponistin am meisten beeindruckt, kann man vielleicht mit zwei Begriffen ausdrücken:
Energie und Leuchtkraft. Selbst die düsteren Passagen ihrer Musik stehen im Zeichen von Einkehr und Besonnenheit und führen die Gedanken nach innen. Doch alles bleibt immer positiv.
Und mit anhaltendem Vergnügen werden diese Werke von namhaften Klangkörpern wie dem Orchestre Philharmonique de Radio France, dem Orchestre National de Lyon und dem Ensemble Polygones gespielt, und sie kommen im Rahmen von zahlreichen Festspielen zur Aufführung (Festival Présences Féminines, Festival Messiaen, Festival La Grange aux Pianos, Festival Présences, Festival Europart in Brüssel usw.).
Valérie Alric
(aus: [t]akte 2/2018 – Übersetzung: Irene Weber)