Editionen aus Smetanas „Mein Vaterland“ und von Dvořáks „Sieben Stücken für kleines Orchester“
Smetanas „Šárka“ und „Aus Böhmens Hain und Flur
Nach der 2014 erschienenen Neuausgabe von Smetanas überaus populärer sinfonischer Dichtung Vltava (Die Moldau) hat Bärenreiter jetzt weitere Teile aus dem Zyklus „Má Vlast“ (Mein Vaterland) in Neuedition vorgelegt. Erhältlich sind nun auch „Šárka“ und „Z českých luhů a hájů“ (Aus Böhmens Hain und Flur), das dritte bzw. vierte Stück des Zyklus. Bekanntlich nahm Smetana die Arbeit an diesem bedeutsamen Projekt 1874 genau zu jener Zeit in Angriff, als er sein Gehör verlor. Wenngleich ihm dies große Sorgen bereitete, komponierte er die ersten beiden Sinfonischen Dichtungen „Vyšehrad“ und „Die Moldau“ in kürzester Zeit; die nächsten beiden,“ Šárka“ und „Aus Böhmens Hain und Flur“, folgten 1875. Wie wir von Beethoven wissen, vermag Taubheit die innere Vorstellungskraft eines Komponisten zu schärfen, und auch Smetana verspürte in späteren Jahren eindeutig eine neuartige Innigkeit in Bezug auf seine Musik.
Da er stets ein sorgfältiger Komponist war, sind seine Handschriften gut lesbar und vollständig. Wenn man ihm etwas vorwerfen wollte, dann ist es die Tatsache, dass er seine Werke mit Artikulationsangaben überfrachtete, wodurch es Herausgeber wie Aufführenden manchmal schwer fällt, zwischen den vielgestaltigen und oftmals in Kombination auftretenden Staccato-, Marcato-, Tenuto-Angaben zu unterscheiden. Fast keine Note in Smetanas Handschriften blieb ohne irgendeine Ausdrucksanweisung, und so ist es die Pflicht des Herausgebers, jede einzelne zu differenzieren und abzubilden, und die Aufgabe des Aufführenden, sie zu interpretieren.
Ein interessanter Aspekt dieser sinfonischen Dichtungen ist, dass Smetana zu beiden neben der Orchesterpartitur auch eine Fassung für Klavier zu vier Händen vorlegte. Bei jenen Werken, die noch zu Lebzeiten gedruckt wurden, existieren demnach vier Hauptquellen, wobei die autographe Partitur in jedem Fall die maßgebliche Hauptquelle ist. Die Partitur von „Šárka“ erschien 1888 nach Smetanas Tod – aufgrund der fehlenden Überwachung der Drucklegung ist die Ausgabe sehr fehlerhaft. Die Partitur von „Aus Böhmens Hain und Flur“ kam dagegen 1881 heraus, und obwohl Smetana keine Fahnen Korrektur las, ist sie viel näher am Autograph als jene von „Šárka“.
Eine Besonderheit von Smetanas Orchestrierungsweise ist die Behandlung der Celli. Üblicherweise unterteilt er diese Gruppe wie die Violinen in erste und zweite Celli, wobei die zweiten für gewöhnlich colla parte mit den Kontrabässen spielen, während die ersten eine individuelle Tenorlinie haben oder mit den Bratschen zusammengehen. Mit anderen Worten: Smetana sträubte sich, den Kontrabässen einen unabhängigen Part zu geben, was eine Reaktion auf den Zustand des Kontrabassspiels seinerzeit in Prag sein könnte. Bei Dvořák finden wir diese Vorsichtsmaßnahme allerdings nicht – und so mag dies auch ein Hinweis darauf sein, dass Smetana schon vor seiner Ertaubung Schwierigkeiten hatte, die tiefsten Töne wahrzunehmen.
Hugh Macdonald
(Übersetzung;: Gudula Schütz)
Antonín Dvořák: Sieben Stücke für kleines Orchester
Zwischen November 1862 und Juli 1871 wirkte Antonín Dvořák als Bratschist im Orchester des Prager Interimstheater, wo zu dieser Zeit ein Bedürfnis nach Zwischenaktmusiken für eine kleine Besetzung bestand. 1867 entstanden Dvořáks „bescheidene Gedanken für ein sehr bescheidenes Orchester“ (wie es in der Partitur steht), die diesem Zweck dienen konnten. Die Komposition wurde jedoch erst 1951 im Nachlass des Verlegers Mojmír Urbánek gefunden und zum ersten Mal 1989 im Rahmen der Kritischen Gesamtausgabe bei Supraphon (Prag) veröffentlicht. Die Tatsache, dass Dvořák dem Autograph keinerlei Bezeichnung gab, zusammen mit der in ungewohnter Weise aufgefassten Form der Stücke, weckte mit der Zeit Zweifel an der Bestimmung des Werkes für Theaterzwecke, und die Editoren wählten den Titel Sieben Stücke für kleines Orchester. Die neu gesetzte Partitur nach der kritischen Ausgabe mit neu hergestellten Stimmen macht nun diese Rarität einfach verfügbar.
(aus [t]akte 2/2018)