Die Messe solennelle en l’honneur de Sainte Cécile ist Charles Gounods bekanntestes geistliches Werk. Die Neuedition wägt sorgfältig zwischen Autograph und Erstdruck ab.
Charles Gounods Messe solennelle en l’honneur de Sainte Cécile wurde 1855 von der Association des artistes musiciens für das Fest der Heiligen Cäcilie in Auftrag gegeben. Am 29. November 1855 fand die Uraufführung in der Kirche Saint-Eustache-des-Halles statt. Zweck der Vereinigung war es, finanzielle Hilfe und Pensionen für Musiker zu akquirieren und Mittel für die Verbesserung des Musiklebens zu gewinnen. Die jährliche Feier war eine wichtige Möglichkeit dazu.
Gounods Messe solennelle stand in einer Reihe mit Werken so wichtiger Komponisten wie Adolphe Adam und Ambroise Thomas. Die Vereinigung ließ auch bereits vorhandene Werke wie Beethovens Missa solemnis aufführen. Man weiß nicht, wann Gounod den Auftrag erhalten hat. Im Sommer 1855 jedenfalls war er eifrig mit der Komposition beschäftigt. In Briefen an seine Mutter beschrieb er, wie er seine Zeit im Wald und mit Lesen verbrachte und wie er über die Messe nachdachte, deren Fertigstellung er für keine einfache Aufgabe hielt. Die größte Schwierigkeit sei es, mit Musik diesem unvergleichlichen und unerschöpflichen Text gerecht zu werden. Beim Erfüllen der gestellten Aufgabe stand er unter starkem Druck, da er einer der bekanntesten Komponisten geistlicher Musik seiner Zeit war. Obwohl Gounod durch die Messe solennelle, die von Berlioz, Saint-Saëns und Adam gelobt wurde, gleichsam in den Olymp der französischen Musik erhoben wurde, wandte er sich nach dem Erfolg von der geistlichen Musik ab und konzentrierte sich auf die Oper. Erst 1870 kehrt er zur Kirchenmusik zurück.
Die Messe war nicht vollständig neu. 1851 hatte Gounod in einem Konzert in London ein „Sanctus“ und ein „Benedictus“ vorgestellt, die enormen Eindruck machten. Ein Berichterstatter schrieb, nie habe er von einem so erfolgreichen Beginn eines unbekannten Komponisten gehört.
Die Quellensituation der Messe solennelle ist nicht kompliziert. Es gibt eine autographe Partitur, die die erste Quelle für die Neuedition darstellt. Unglücklicherweise ist sie unvollständig. Irgendwann wurde sie in zwei Teile getrennt, wann dies geschah, ist unbekannt. Der erste Teil mit „Kyrie“, „Gloria“, „Offertorium“ und „Domine, salvum fac“ liegt in der British Library in London. Der andere mit „Credo”, „Sanctus” and „Benedictus“ wird in der Northwestern University in Chicago aufbewahrt. Während das „Sanctus” (das Zeichen von Überarbeitung zeigt) und das „Benedictus“ nicht vollständig sind, fehlt das „Agnus Dei“ ganz.
Zu Gounods Lebzeiten veröffentlichte Alphonse Lebeau eine Partitur (1856), einen Orgelauszug mit Chor und die Orchesterstimmen. Der Druck der Partitur ist die andere bedeutende Quelle und die einzige, die das „Agnus Dei“ enthält. Doch Lebeaus Partitur ist nicht gänzlich zuverlässig, so in den fehlenden Einträgen des Schlagzeugs (besonders im „Gloria”). Bemerkenswert sind die Abweichungen zwischen Autograph und Erstdruck in der Kornett-Stimmen im „Sanctus“.
Die letzte Edition der Messe (Peters 1995) basiert vollständig auf Lebeaus Druck. So ist die Neuedition bei Bärenreiter kurz vor dem 200. Geburtstag des Komponisten die erste, die Fehler beseitigt und Abweichungen benennt. Sie veröffentlicht beide Kornett-Stimmen. Ein umfangreicher Kritischer Kommentar klärt die Unterschiede zwischen den beiden Hauptquellen und bietet eine profunde Einführung.
Hans Schellevis
(Übersetzung: Johannes Mundry)
(aus [t]akte 2/2017)