Dieter Ammanns „The Piano Concerto. Gran Toccata“ wird im August in London uraufgeführt. Es geht auf eine Initiative mit dem Pianisten Andreas Haefliger zurück. Bei der Arbeit drang der Komponist Takt für Takt ins Offene vor.
Dieter Ammann komponiert sein Piano Concerto für den Pianisten Andreas Haefliger, das im August in der britischen Haupstadt uraufgeführt wird. Ursprünglicher Arbeitstitel war „no templates“, so der Komponist, „womit primär eine Offenheit des Denkens beim Umgang mit dieser Gattung gemeint ist, aber auch eine Offenheit bezüglich der Vielfalt der eingesetzten Mittel“. Ein Vorgehen „ohne Muster“ bestimmt seit jeher das Komponieren von Dieter Ammann, dessen Notationsweise minutiös und akribisch Takt für Takt ins Offene vordringt. Seine Werke sind Ergebnis eines Ineinanders von vielfältigen Klang- und Spielsituationen, „nicht eine collagenartige, sondern eine dramaturgisch gerichtete Musik mit ,Werkcharakter‘. Die Kraft der Dramaturgie und damit zusammenhängend eine kohärente Zeitgestaltung bilden eine Klammer, in der sich eine kontrastreiche klangliche Topographie entfaltet, wobei die unterschiedlichen strukturellen Elemente (zum Beispiel verschiedenartige Tonsysteme) in einen fruchtbaren Diskurs zu treten imstande sind.“
Im weiten Spannungsfeld zwischen Individuum und Kollektiv, das traditionell die Gattung bestimmt, geht es dem Komponisten um vielfältigste Spielformen. „So wird beispielsweise beim Solopart zwischen mehreren Funktionen unterschieden. Die herkömmlichen Rollen des Klaviers sowohl als Begleiter des orchestralen Geschehens als auch des unbegleiteten Individuums sind dabei bloß zwei mögliche Erscheinungsformen, wobei bei der letzten der wechselseitige Material- und Energiefluss oft subkutan weiterwirkt, so dass sich das Soloinstrument nicht ins Subjektive oder gar Unverbindliche ‚flüchten‘ kann. Weitere Funktionskategorien sind das gängige Solo-Accompagnato, das seinen Platz genauso hat wie das oben erwähnte ,Orchesterklavier‘. Neues Terrain wird durch Erweiterung des Aktionsspektrums des Soloinstruments erschlossen. Es gibt zusätzlich eine kinetische Komponente, quasi einen ,corporalen Subtext‘, so dass sich die Musik nicht bloß auf die Realisierung des Notentexts reduzieren lässt, sondern vom Performativen her auch eine visuelle Seite aufweist – etwas, das bei der Rezeption (speziell in der Konzertsituation) zusätzlichen Informationsgehalt bedeutet. Dieser optische Aspekt, etwa bei der Übergabe und Aufnahme von Impulsketten (also dem eigentlichen ,concertare‘) kann dabei sogar zur primären Information werden, wenn nämlich die Solostimme verwischt, verdeckt, geschluckt oder in der Gesamttextur sukzessive aufgelöst wird. Die enge Verzahnung der Funktionen von Klavier und Orchester bewirkt, dass das der Gattung als ,soziologisches Modell‘ inhärente Moment der Virtuosität nicht auf das Soloinstrument beschränkt bleibt, sondern auch in einigen Orchesterpassagen starken Niederschlag findet.“
Marie Luise Maintz
(aus „[t]akte“ 1/2019)