Für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hat Miroslav Srnka moves komponiert. Im Rahmen von „musica viva“ dirigiert Matthias Pintscher am 8. Mai 2015 die Uraufführung.
In moves, seiner Komposition für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, spielt Miroslav Srnka mit der Wahrnehmung, mit der Erfahrung von Zusammenhang und Kontrast, und dies nicht nur im strukturellen, sondern vor allem im (psycho-)akustischen Sinne. Überlegungen über die Gedächtnisgrenzen beim Zuhören und über die Vorhersehbarkeit eines Klang-stroms führten zu dem Entwurf in sich geschlossener musikalischer Momentformen. In diesen entfaltet sich jeweils ein organischer Klangstrom, dessen Grundlage ein raffiniert kontrolliertes Strukturnetz ist. Dieses generiert sich aus einer mathematischen Kurve, jener Vektorbeschreibung, die von den französischen Mathematikern Pierre Bézier und Paul de Casteljau für das Auto-Design entwickelt wurde.
Gestische und formale Momente werden als eigenständige, jedoch mit der „Orchesterphysiologie“ korrespondierende Bewegungseinheiten herausmodelliert. Die Bewegungen der Musiker werden als musikalisches Mittel mit einbezogen, sie werden also nicht nur als Mittel zum Zweck des angestrebten Klangresultats gesehen, sondern auch umgekehrt als physiologisch natürliche Bewegungen mit dem Klang als „Nebenresultat“.
Die beiden moves bilden den Anfang einer Serie, die sich derartigen Phänomenen widmet. Es geht Srnka darum, Strukturen zu generieren, die sich selbst überwinden und in Klang und Bewegung sinnfällig aufgehen. Letztlich entsteht ein umfassender Blick auf eine Aufführungssituation: auf den Menschen als Musikproduzierenden mit seiner ganzen Bewegungsphysiologie und den Menschen als Wahrnehmenden in seinem physikalischen Umfeld. Und nicht zuletzt geht es um eine grundlegend musikalische Frage nach dem Form- und Zeitgefühl: um die sensible Grenze, wo der Rhythmus endet und die Form beginnt.
Marie Luise Maintz
(aus [t]akte 1/2015]