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Außergewöhnliche Perlenkette. Händels „Ezio”

Georg Friedrich Händel
Ezio. Opera in tre atti HWV 29. Hrsg. von Michael Pacholke. Hallische Händel-Ausgabe II/26.

Personen: Valentiniano (Alt), Fulvia (Sopran), Ezio (Mezzosopran), Onoria (Alt), Massimo (Tenor), Varo (Bass)

Orchester: 2 Flauti dolci, 2 Flauti traversi, 2 Oboen, 2 Fagotte – 2 Hörner, Trompete – 3 Violinen, 2 Bratschen, Bassi (Violoncello, Kontrabass, Fagott, Laute, Cembalo)

Verlag: Bärenreiter, Partitur und Klavierauszug käuflich, Aufführungsmaterial leihweise

Bild: „Ezio” bei den Schwetzinger Festspielen 2009 (Photo: SWR/Monika Rittershaus)

Zu Händels Lebzeiten wurde Ezio nur fünfmal aufgeführt, doch das Werk, das sehr frei eine Episode vom Ende des Römischen Reichs zum Thema hat, verdient eine Wiederentdeckung. Auf der sichereren Basis der Hallischen Händel-Ausgabe ist sie nun möglich.

Die bisher für die Aufführungspraxis maßgebliche Ezio-Ausgabe Friedrich Chrysanders stimmt zwar in der Abfolge der Musiksätze mit der Uraufführungsversion der Oper überein, enthält aber nur eines der vier Anhangsstücke des neuen Bandes der Hallischen Händel-Aus­gabe, nämlich ein Rezitativ. Die Fassung der händelschen Aufführungen der Oper im Januar 1732 bildet den Hauptteil des neuen Bandes. Der Anhang enthält die während der Ent­stehung des Werkes ausgeschiedenen Sätze – die Gavotte, die ursprüngliche Sinfonie zum zweiten Akt und zwei Rezitative.

Händel komponierte den Ezio vermutlich von November 1731 bis Anfang Januar 1732. Die Uraufführung fand am 15. Januar 1732 in London im King’s Theatre am Haymarket statt, da­nach gab es zu Händels Lebzeiten nur noch die vier Wiederholungen im Januar 1732. Der von Hän­del vertonte Text beruht auf dem „dramma per musica” Ezio von Pietro Metastasio. Dessen Vor­be­richt der in die Jahre 451–454 einzuordnenden, in Rom spielenden Handlung lautet auf deutsch:

Als Ezio, der berühmte Führer der kaiserlichen Heere unter Valentiniano III., vom Sieg auf den Katalaunischen Feldern zurückkehrte, wo er Attila, den Kö­nig der Hunnen, besiegt und in die Flucht geschlagen hatte, wurde er von dem miss­trauischen Herrscher zu Unrecht der Treulosigkeit bezichtigt und zum Tode verurteilt. Urheber der Intrigen gegen den unschuldigen Ezio war Massimo, ein römischer Pa­tri­zier, der früher von Valentiniano beleidigt worden war, indem dieser Massimos Gattin zu verführen versucht hatte. Massimo bemühte sich vergeblich um die Mithilfe Ezios bei der Ermordung des verhassten Herrschers, verheimlichte dabei jedoch stets sorg­fältig sein Verlangen nach Rache. Im Wissen aber, dass das größte Hindernis für sein Vorhaben Ezios Loyalität war, redete er dem Kaiser ein, dass Ezio ein Verbrecher sei. Dann stachelte er das Volk zum Aufstand gegen Valentiniano auf, indem er diesen beschuldigte, undankbar und ungerecht zu sein. Dies alles ist histo­risch, das Übrige ist wahrscheinlich.

Die Charakterzeichnung der Bühnenfiguren, die historische Vorbilder haben – das sind außer Massimos Tochter und Ezios Geliebter Fulvia alle anderen –, entspricht dem, was von diesen Vorbildern bekannt ist. Mit den historischen Ereignissen geht jedoch bereits der Vor­bericht recht freizügig um. Um das Übrige einigermaßen wahrscheinlich finden zu können, muss man die erfundene, spannende Handlung der Oper mit ihrem glücklichen Ende als eine Weile vor Ezios Ermordung endend auffassen: In Wirklichkeit tötete Valentiniano 454 eigen­händig Ezio, 455 ließ dann Massimo Valentiniano ermorden, wurde selbst Kaiser und wenig später, während der Eroberung Roms durch die Vandalen, von Römern umgebracht, Erei­gnis­se die gewissermaßen den Auftakt zur Endphase des Untergangs des weströmischen Reiches bildeten. In Ezio wird jedoch, wie auch generell in dramatischen Werken des Barock, keine Rekonstruktion historischer Ereignisse versucht: Es geht um moralische Belehrung, hier durch Kritik übersteigerten Misstrauens und Verrats sowie Lob aufopferungsvoller Treue.

Ezio zählt zu Händels besten Werken: Aus dem ersten Akt ragen die pastoralen Arien „Quanto mai felici siete“ (Onoria) und „Se povero il ruscello” (Massimo) hervor, Glanzstücke des zweiten Aktes sind die drei Accompagnati sowie Valentinianos flehendes „Vi fida lo sposo”, Ezios resignierendes „Recagli quell’acciaro” und Varos majestätisches „Nasce al bosco in rosca cuna“. Im dritten Akt bilden Ezios „Se la mia vita” – eine der klangprächtigsten Kompositionen Händels –, Valentinianos angstschlotterndes „Per tutto il timore”, Massimos inniges „Tergi l’ingiuste lagrime”, Fulvias erschütternde Wahnsinnsszene „Misera, dove son?“ sowie Varos triumphales „Già risonar dintorno” eine jener Perlenketten, deren die Musik aller Länder und Zeiten wohl nur wenige aufweist.                                 

Michael Pacholke

aus: [t]akte 2/2009

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