Händels Oratorium „La Resurrezione di Nostro Signor Gesù Cristo“ ist der Ausbruch eines musikalischen Welttalents. Das fast zweistündige Werk, das den Kampf des Engels gegen Luzifer gleichwertig mit der Auferstehung thematisiert, erscheint nun im Urtext des Hallischen Händel-Ausgabe.
Händels zweites italienisches Oratorium, La Resurrezione di nostro Signor Gesù Cristo, wurde am Ostersonntag, dem 8. April 1708, im prächtigen Palazzo Bonelli, dem römischen Palast des Marchese Francesco Maria Ruspoli, uraufgeführt. Am folgenden Tag fand eine weitere Aufführung statt.
Dokumente aus den Ruspoli-Archiven (hrsg. von Ursula Kirkendale 1967) enthalten zahlreiche Details über die Vorbereitungen für die Aufführungen. Für das Orchester und die Sänger wurde eine Bühne aufgebaut, hinter der ein großer bemalter Prospekt von Michelangelo Cerruti (1666–1748) hing. Er zeigte die Auferstehung mit den Cherubinen und Engeln, dem auf dem Grab sitzenden Engel, dem Evangelisten Johannes neben einem Berg und Teufeln, die in den Abgrund stürzen. Dem Beispiel ähnlicher Ensembles für wichtige Anlässe folgend, wurde ein großes Orchester versammelt, das von Arcangelo Corelli geleitet wurde.
Die Gehaltsliste nennt die Namen von vier männlichen Sängern, die an anderer Stelle als Sopran, Contralto, Tenor und Bass aufgeführt werden: Sie sangen den Engel, Maria (die Frau des Cleophas), Johannes und Luzifer. Der Part der Maria Magdalena wurde von einem weiblichen Sopran gesungen. Von einem Zeitgenossen wird berichtet, dass sie in Ruspolis Haus wohnte. Es wird allgemein angenommen, dass es sich um Margherita Durastanti handelt, die seit Januar 1707 in Ruspolis Diensten stand. Sie sollte später die Titelrolle in Agrippina in Venedig übernehmen und sang in den 1720er- und 1730er-Jahren für Händel in London.
Ruspoli riskierte, beim Papst in Ungnade zu fallen, weil er eine Frau singen ließ, denn im Januar 1703 hatte Clemens XI. ein Edikt erlassen, das die Teilnahme von Frauen an öffentlichen musikalischen Aufführungen verbot; und tatsächlich wurde, wie im Tagebuch Francesco Valesios vermerkt, noch vor der zweiten Aufführung am Montag ein Tadel übermittelt, „da eine weibliche Sängerin am Vorabend im Oratorium gesungen hatte“. Ein Brief des bayerischen Repräsentanten vom 17. April bestätigt, dass der Tadel Ruspoli von Kardinal Paolucci persönlich übermittelt wurde und dass die besagte Person „eine weibliche Sängerin ist, die er in seinem Haus hält“. Keines der beiden Dokumente gibt jedoch Auskunft darüber, welche Folgen dies für die Aufführung am Montag hatte. Ursula Kirkendale nimmt an, dass in der zweiten Aufführung ein Kastrat die Rolle der Maria Magdalena übernahm. Ihr folgen die meisten heutigen Forscher, doch scheint es weder zeitgenössische Belege dafür zu geben noch Anzeichen für eine Gehaltszahlung für einen zusätzlichen Sänger.
Es existieren keine Aufzeichnungen über weitere Aufführungen von La Resurrezione, weder zu Händels Lebzeiten noch für die folgenden zwei Jahrhunderte.
Der Autor des Librettos war Carlo Sigismondo Capece (1652–1728). Capeces Text basiert auf zwei Quellen: dem Johannes-Evangelium, in dem der Evangelist schreibt, dass er selbst am Grab gewesen sei; und der Überlieferung von Christi Höllenfahrt, die zum Ziel hatte, die Seelen der rechtschaffenen Männer und Frauen des Altertums zu befreien, die dorthin gelangt waren, bevor Christus den Menschen die Erlösung brachte. Die Geschichte, die am Morgen des Ostersonntags beginnt, wird durch die emotionalen Reaktionen der drei Jünger erzählt und von einer Konfrontation des Engels mit Luzifer (Satan) umrahmt, der vehement dem Abstieg Christi in die Hölle widerspricht.
Händels Autograph ist erhalten: Es enthält keine Ouvertüre und weist einen von der Aufführungspartitur abweichenden Anfang auf. Die Aufführungspartitur, deren Text mit dem des gedruckten Librettos übereinstimmt, wurde von einer Gruppe römischer Kopisten erstellt und zweifelsohne für die Aufführungen und als Quelle für das Stimmmaterial genutzt. Offensichtlich hat der Komponist den Beginn des Werks vor der Aufführung überarbeitet und dabei den dramatischen Zusammenhalt verbessert.
Die Aufführungspartitur wurde bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nicht gründlich untersucht. Davor gab es keine Beweise dafür, was tatsächlich aufgeführt wurde. Die Editionen von Arnold um 1796 und Chrysander 1878 gaben lediglich die Version des Autographs des Werkes wieder.
Die neue Ausgabe ist die erste vollständige kritische Edition dieses außergewöhnlichen Oratoriums, eine der vorzüglichsten Kompositionen des jungen Händel in Italien; es ist ein Werk von großer dramatischer Kraft und einer erstaunlich originellen und schön gesetzten Musik. Am bekanntesten ist die wunderbare Arie „Ho non so che nel cor“ der Maria Magdalena, die Margherita Durastanti 1709 nochmals in Agrippina sang. Ein Anhang des Bandes veröffentlicht die musikalischen Nummern, die Händel in seiner Revision verwarf.
Terence Best
(Übersetzung: Maja Kamprath)
aus [t]akte 2/2010