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Krönungsmusiken für England und die Welt. Händels „Coronation Anthems“

Georg Friedrich Händel
Coronation Anthems HWV 259, 258, 260, 261. Hrsg. von Stephan Blaut. Hallische Händel-Ausgabe III/10
Erstaufführung nach der Edition: 10.6.2016 Halle (Händel-Festspiele): MDR Rundfunkchor Leipzig, Kammerorchester Basel, Leitung: Diego Fasolis
Verlag: Bärenreiter. Dirigierpartituren. Klavierauszüge und Stimmen käuflich: Zadok the priest (BA 10258); The King shall rejoice (BA 10259)

Bild: Georg II. von England. Gemälde von Thomas Hudson (1744)

Zadok the priest und The King shall rejoice entstanden 1727 anlässlich der Krönung von Georg II.; sie sind inzwischen auf der ganzen Welt beliebte konzertante Chorstücke.

Nachdem im Sommer 2015 die Coronation Anthems HWV 258–261 als wissenschaftlich-kritische Edition in der Hallischen Händel-Ausgabe (HHA) erschienen sind, werden der Musikpraxis nun Dirigierpartituren, Klavierauszüge und Orchesterstimmen von Zadok the priest HWV 258 und The King shall rejoice HWV 260 zur Verfügung gestellt. Die Coronation Anthems gehören zu Händels bekanntesten Werken und erklingen häufig in Konzerten. Ihre Entstehungsgeschichte kann allerdings nicht lückenlos nachgezeichnet werden: Nach dem Tod von König Georg I. im Juni 1727 wurde wenig später in London dessen Sohn Georg August (1683–1760) als Georg II. zum neuen britischen König ausgerufen. Zu diesem Zeitpunkt besaß wohl noch William Croft (1678–1727) das erste Anrecht auf die Komposition der für die bevorstehende Krönung benötigten Musik, denn dieser hatte seit 1707/08 als Organist, Komponist und Master of the Children die wesentlichen Ämter der Chapel Royal inne. Nach Crofts unerwartetem Tod am 14. August 1727 und der Festlegung des Krönungstages musste dringend ein neuer Komponist für die Anthems gefunden werden. Hierfür kam neben Händel, der mit der Ernennung zum „Composer of Musick for his Majesty’s Chappel Royal“ 1723 und der Erwerbung der englischen Staatsbürgerschaft im Februar 1727 die wichtigsten Voraussetzungen für einen derartigen Auftrag erfüllte, möglicherweise auch Maurice Greene in Betracht, der am 4. September als Nachfolger Crofts Organist und Komponist der Chapel Royal wurde. Nach Aussage Georgs III. (1738–1820) entschied sich Georg II. jedoch gegen Green und für Händel.

Wie Händel zu den Texten der Coronation Anthems gelangte, kann nicht mehr festgestellt werden. Zuständig dafür war William Wake (1657–1737), der Erzbischof von Canterbury. Er gelangte in Absprache mit dem Kronrat zu einer Gottesdienstordnung, die am 20. September bestätigt und danach gedruckt wurde. Hätte Händel erst jetzt die Anthem-Texte erhalten, so wäre es ihm kaum möglich gewesen, diese bis zum Krönungstag zu vertonen und für die pünktliche Bereitstellung der Aufführungsmateriale zu sorgen. Wahrscheinlich orientierte er sich bei der Textwahl an einer 1687 von Francis Sandford veröffentlichten Beschreibung der Krönung von Jakob II. und Maria von Modena 1685.

Für den Ablauf des Krönungsgottesdienstes hatte sich eine mehr oder weniger festgelegte Liturgie entwickelt, bei der die Anerkennung (Recognition), die Salbung (Anointing) und die Krönung (Crowning) zu den herausragenden Handlungen gehörten. Die diesen Vorgängen zugeordneten Musikstücke sollten mit ihren biblischen Texten die sichtbaren Handlungen rechtfertigen. Das Anthem Zadok the priest, das in dem autographen Band der Coronation Anthems an erster Stelle steht und deshalb die HWV-Nummer 258 erhielt, erklang nicht zur Anerkennung, sondern erst zur Salbung, dem eigentlichen Höhepunkt der Zeremonie. Es wurde von Georg III. als die vielleicht vollkommenste Musik Händels angesehen. Seit seiner Erstaufführung am 11. Oktober 1727 in der Westminster Abbey erklang es bei jeder folgenden Krönung eines englischen Königs bzw. einer englischen Königin (zuletzt 1953 bei der Krönung Elisabeths II.). Das Anthem The King shall rejoice wurde zur Krönung gespielt. Im Autograph von HWV 260 finden sich Hinweise Händels bezüglich der mitwirkenden Sänger und Instrumentalisten: So schrieb er in den Chören Nr. 1, 3 und 4 Namen von Sängern der Chapel Royal, in Nr. 1 und 3 jeweils verbunden mit der Anzahl der ihnen zugeordneten Sänger; in Nr. 1 legte er außerdem fest, dass zwölf Sänger (vermutlich die Knaben der Chapel Royal) den Sopran singen sollten. Aus diesen Angaben ergibt sich eine Chorstärke von etwa 50 Sängern, die aus den Chören der Chapel Royal, der Westminster Abbey, der St. Paul’s Cathedral und der St. George’s Chapel, Windsor, kamen. Die Anzahl der Instrumentalisten muss weit größer gewesen sein als die der Sänger, was schon an Händels Forderung von zwölf Violoncelli für die Bassi-Stimme des Chors Nr. 1 abgelesen werden kann. Das Instrumentalensemble bestand aus den Royal Musicians, den königlichen Trompetern und Hofpaukern, den Musikern von Händels Orchester und weiteren Instrumentalisten – insgesamt vermutlich 90 bis knapp 100 Spieler.

Für die grandiose Wirkung der Anthems HWV 258 und 260 war neben der großen Anzahl der beteiligten Musiker auch der kompakte musikalische Satz (mitunter drei obligate Trompeten- und Violinstimmen, geteilter Sopran, Alt oder Bass) und die effektvollen, leicht fasslichen Themen verantwortlich. Mit den zum Teil gewaltigen Chorsätzen der Coronation Anthems schuf Händel Musterbeispiele für die Chöre seiner späteren Oratorien, die schließlich zu einem neuen Klangideal führten.   

Stephan Blaut
(aus [t]akte 1/2016)

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