Am Hamburger Gänsemarkt feierte Telemann mit Der Sieg der Schönheit seinen erfolgreichen Einstand, an den er wenig später mit seiner Händel-Adaption Richardus I. anknüpfen konnte. Verwickelte Liebesgeschichten waren damals beliebt, egal ob sie im Alten Rom spielten oder zur Zeit der Kreuzzüge.
„Sieg der Schönheit”
Telemanns erste in Hamburg komponierte Oper erlebte im Juli 1722 ihre Uraufführung. Das Libretto Christian Heinrich Postels aus dem Jahr 1693 hatte er dafür behutsam an die Erfordernisse seiner modernen Musik angepasst. Die Oper hatte großen Erfolg – bis 1735 wurde sie in Hamburg immer wieder aufgeführt, in Braunschweig kam das Werk von 1725 bis 1732 mehrmals auf die Bühne. Ort der Handlung ist Rom im Jahr 455. Die Sieger im Krieg wollen nun auch in persönlichen Beziehungen triumphieren; die Staatsaktion wird individuell gewendet.
Aus unterschiedlichen Lebensvorstellungen und Begriffen entwickeln sich die Konflikte. Gensericus will sich bald mit der scheinbar besiegten Eudoxia verbinden, seine Liebe und Ehe ablehnender Sohn Honoricus soll sich mit ihrer Tochter Pulcheria, die sich ihm in Männerkleidern nähert, verheiraten. Ihre Schwester Placidia ist ihrem Verlobten Olybrius standhaft treu, doch hält dieser dem Druck des Siegers Helmiges, der sich in sie verliebt hat, anfänglich nicht stand. Jede Figur hat für sie bedrohliche Situationen zu überstehen – jede verändert sich dabei und kommt in der Annäherung an den Partner auch sich selbst näher. Turpino, der lustige Diener des Honoricus, kontrastiert kommentierend das Geschehen und das Theoretisieren der Helden. Telemann beschreibt in den formenreichen, angemessen und feinsinnig instrumentierten Arien und Duetten das ganze Spektrum seelischer Zustände.
„Der misslungene Brautwechsel oder Richardus I.”
Die 1729 aufgeführte Oper Der misslungene Brautwechsel oder Richardus I. ist die Hamburger Adaption von Georg Friedrich Händels Melodramma Riccardo I. HWV 23. Auf der Grundlage der Londoner Bearbeitung eines italienischen Librettos schuf Christoph Gottlieb Wend ein den Hamburger Ansprüchen genügendes deutschsprachiges Libretto. Er verbesserte den dramaturgischen Verlauf, akzentuierte einzelne Figuren anders, veränderte die Sicht auf die Handlung und die Handelnden. Und er integrierte eine diskursorientierte komische Nebenhandlung zwischen dem Philosophen Gelasius und der Amme Murmilla.
Aufgegriffen wird eine Begebenheit aus der Zeit der Kreuzzüge. Der englische König Richard I. will sich auf Zypern verheiraten. Doch verliebt sich der tyrannische zyprische Herrscher Isacius in sie und stellt Richardus stattdessen seine Tochter Formosa als die versprochene Braut Berengera vor. Formosa jedoch will ihrem Verlobten Orontes treu bleiben – wie auch Berengera Richardus. Nach einigen Verwicklungen wird Isacius überführt und die beiden Paare können zusammenbleiben.
Neben Händels großartigen Arien stehen Telemanns deutschsprachige Rezitative, einige neu komponierte Arien sowie die neue Nebenhandlung. Diese Konfrontation erzeugt einen ungemeinen ästhetischen Reiz, dem man sich nicht entziehen kann.
Ute Poetzsch
aus: [t]akte 1/2009