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Franz Schuberts Musiktheater im Konzert und auf der Bühne

Franz Schubert
Der vierjährige Posten D 190. Singspiel in einem Akt
Hrsg. von Han Theill. Neue Schubert-Ausgabe II/2

Erste Aufführung nach der Edition: München 8.12.2013, Münchner Rundfunkorchester, Leitung: Christopher Hogwood

Solisten: Walther, Dorfrichter (Bass), Käthe, seine Tochter (Sopran), Düval, ehemals Soldat (Tenor), Der Hauptmann (Tenor), Veit, ein Bauer (Tenor), Der General (Sprechrolle), Chor: Bäuerinnen und Bauern, Soldaten

Orchester: Flauto I, II, Oboe I, II, Clarinetto I, II, Fagotto I, II; Corno I, II, Tromba I, II, Timpani; Violino I, II, Viola, Bassi

Verlag: Bärenreiter-Verlag, Aufführungsmaterial leihweise

Ein Soldat, der aus Liebe desertiert und auf dem Lande sein Glück findet – und das in Versen: Schuberts frühes Bühnenwerk Der vierjährige Posten steht zwischen den Genres.

Der vierjährige Posten nach einem Libretto Theodor Körners gehört zu den ersten Bühnenwerken, die Schubert komponierte. Es erzählt die unglaubliche, aber angeblich wahre Geschichte des französischen Soldaten Düval, der während der napoleonischen Kriege in einem deutschen Grenzdorf geblieben war, um Käthchen, die Tochter des Dorfrichters, zu heiraten und das Schwert gegen den Pflug zu tauschen. Als die französischen Besatzer in das Dorf zurückkehren, droht ihm die Todesstrafe. Düval behauptet nun dreist, er sei beim Abzug der Truppe als Wache nicht abgelöst worden und daher vier Jahre auf seinem Posten geblieben. Tatsächlich wird der Deserteur überraschend begnadigt, als sein General erkennt, dass Düval das Heer nur aus Liebe verlassen hatte.

Soldatenanekdoten wie diese standen während der napoleonischen Kriege täglich in der Zeitung. So wirkte Körners Appell an die Menschlichkeit durchaus glaubhaft. Auch die ungewöhnliche Biografie des Dichters bürgte für die Authentizität seines Stücks: 1813 ging er freiwillig zu Lützows Jägern, einer Guerilla-Truppe von Napoleon-Gegnern, und kämpfte gegen die Franzosen. Mit seinen Kriegsliedern mobilisierte er viele junge Deutsche für die Befreiungskriege, nun fiel er noch im selben Jahr und wurde zum nationalen Idol. 1815, als Napoleon aus seiner Verbannung auf Elba fliehen konnte, fürchtete ganz Europa neuen Krieg. An diesem historischen Wendepunkt vertonte Schubert 16 Gedichte Körners, die unvermutet wieder aktuell waren, sowie das Singspiel Der vierjährige Posten.

Körner, ein Freigeist auch im Dichten, hatte das Libretto ganz in Versen geschrieben, was für ein Singspiel damals höchst ungewöhnlich war. Dem bürgerlichen Milieu der Komödie entsprechend wurden Dialoge sonst in Prosa gesprochen. Nach Körners Vorstellung aber sollte der ganze Text gesungen werden. Carl Steinackers Erstvertonung, die sich streng daran hielt, scheiterte jedoch 1813 bei der Wiener Uraufführung kläglich – die Kritiker machten sich lustig über Bauern, die in Versen sprachen.

Schubert wusste wohl nichts von Körners Vorgabe; vielleicht hielt ihn auch sein Lehrer Salieri von Verstößen gegen die Theaterpraxis ab. Jedenfalls ging er davon aus, dass die Texte gesprochen wurden, und vertonte zunächst die Bühnenmusik: ein Lied der Bauern, einen Marsch und einen Kanon, die direkt aus der Handlung motiviert werden. Sonst konzentrierte er sich auf die dramatischen Höhepunkte des Textes, etwa das Quartett „Freund, eilet euch zu retten!“ Dabei geht seine Komposition oft virtuos vom Sprechen ins Singen über – die Musik setzt immer ein, wenn es die emotionale Dichte der Handlung fordert.

Als begeisterter Anhänger der „Rettungsoper“ orientierte sich Schubert am Vorbild der französischen Opéras comiques, die überall auf deutschen Bühnen gespielt wurden. Schon in der Ouverture überlagern Militärfanfaren die ländlichen Hornklänge und lassen die Bedrohung der Idylle spüren. Die hochdramatische Diktion seiner Ensembles sprengt ganz den beschaulichen Singspielrahmen. Besonders Käthchens Monolog „Gott! Höre meine Stimme“ zeigt, dass Schubert Körners Libretto mitnichten als amüsanten Schwank, sondern eher als einen Fidelio en miniature gelesen hat.

Es birgt eine gewisse Ironie, dass Schubert das Libretto des Antifranzosen Körner als Opéra comique vertonte, die sich erst mit der französischen Besatzung in Europa verbreitet hatte. Schon der junge Schubert ließ sich offensichtlich keine ästhetischen Schranken verordnen und gehorchte nicht blind der patriotischen Ideologie seiner Zeit, sondern trat entschieden für den Frieden unter den Völkern ein.   

Christine Martin
(aus [t]akte 2/2013)

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