Nach „Penelope“ sind nun vier weitere Werke von Francesco Bartolomeo Conti über die Alkor-Edition erhältlich. Herausgegeben wird die erste kritische Ausgabe des italienischen, in Wien zu Ruhm gekommenen Komponisten vom Dirigenten und Musikwissenschaftler Marco Comin.
Der 1682 geborene florentinische Komponist Francesco Bartolomeo Conti wurde zu Recht von namhaften Kollegen wie Johann Sebastian Bach, Händel, Quantz und Mattheson hochgeschätzt. Von 1711 bis zu seinem Tod im Jahr 1732 war er Hofkomponist in Wien, wobei er den kontrapunktorientierten Stil von Fux mit einem italienischen und temperamentvollen Theaterinstinkt verschmelzen ließ. Das ist nicht nur in seinen Opern, sondern auch in seinen für die Fastenzeit komponierten geistliche Oratorien deutlich zu spüren.
„La colpa originale“ ist hierfür ein Paradebeispiel. Selten wirkt die biblische Erzählung von Adam und Eva so menschlich wie in diesem Werk, das wahre musikalische Preziosen wie Adams berührende Arie mit Soloposaune „Mia compagna io la credea“ oder die Arie Evas „La speranza m’ingannò“ mit einem grandiosen Theorbensolo enthält. Contis Meisterschaft im Kontrapunkt und seine phantasievolle harmonische Sprache kommen unter anderem in der Sinfonia und in den Chören deutlich zur Geltung.
Für „Galatea vendicata“ wählte Conti ein besonderes Genre: die Festa teatrale, ein einaktiges, auf einem mythologischen Stoff basierendes Werk, das für die Geburts- und Namenstage von Angehörigen der kaiserlichen Familie bestimmt war – in diesem Fall war es Kaiser Karl VI., der die Oper anlässlich des Namenstages seiner Gattin in Auftrag gegeben hatte. Das Werk verwebt den Mythos von Acis und Galatea, sowie den von Arethusa und Alpheus (beide aus Ovids Metamorphosen) und die Geschichte von Odysseus und Polyphem (sehr frei aus Homers Odyssee entnommen) auf geistreiche Weise miteinander. Musikalisch finden sich sowohl zarte, bewegende als auch unwiderstehlich rhythmische Arien sowie der gewaltige Chor der Zyklopen, eine äußerst sinnliche Strophenarie mit Mandoline – allesamt originelle und klangsinnliche Ausformungen ihres Genres.
„Il finto Policare“ ist die siebte Oper, die Conti für die Karnevalssaison des Wiener Hofes komponierte und die am 11. Februar 1716 im Theater der Hofburg, der Winterresidenz der kaiserlichen Familie, uraufgeführt wurde. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Librettisten Pietro Pariati, wobei das kongeniale Duo einen wertvollen Beitrag zum Genre der Tragicommedia leistete. Es geht um die wahrhaft originelle Doppelgängergeschichte des Titelhelden Policare, der als rechtmäßiger Erbprinz des Fürsten von Messina unter falschem Namen aufwächst, bis seine wahre Identität offenbart wird und er das väterliche Erbe zurückgewinnt. Eine Besonderheit sind die komischen Rollen in einem tragischen Kontext, der stark der Opera seria ähnelt. Sie sind dabei nicht auf einzelne Szenen am Ende eines Aktes beschränkt, sondern agieren mehr oder weniger durchgehend mit den anderen Figuren.
Das für die Faschingssaison 1711 komponierte Dramma pastorale „Il trionfo dell’amicizia e dell’amore“ ist die zweite Oper Contis und zugleich seine früheste erhaltene. Damit begann de facto das Monopol, das Conti über fünfzehn Jahre hinweg auf die Komposition der Faschingsopern am Wiener Kaiserhof ausüben sollte; eine Aufgabe, die als künstlerisches Privileg galt und ausschließlich Komponisten von Rang vorbehalten war. Das Libretto stammt von Francesco Ballerini, einem bekannten Kastraten, der selbst die Rolle des Tirsi sang. Die Oper zeichnet sich durch einen besonders reichen Einsatz von Instrumentalnummern aus – mehr als in jeder anderen Oper Contis – und integriert Tänze als wesentliche Bestandteile der Handlung, oft unter Mitwirkung der Sänger. Im Zentrum der Geschichte steht eine Gruppe von Freunden, deren Liebesverwicklungen schließlich in drei glücklichen Paarbildungen enden – ein wahrer Triumph von Freundschaft und Liebe.
Marco Comin/Tessa Singer
(aus {t]akte 2/2025)



