Aus Schillers „hohem Ton“ in der „Braut von Messina“ machten Zdeněk Fibich und sein Librettist Otakar Hostinský eine Oper von großer dramatischer Überzeugungskraft. Das Theater Magdeburg wagt nun die deutsche Erstaufführung.
„Ein interessantes, eigenartiges Talent“ – so urteilte der Wiener Chefkritiker Eduard Hanslick am 13. Februar 1883 in der Neuen Freien Presse über den tschechischen Komponisten Zdeněk Fibich (1850–1900). Zu diesem Zeitpunkt war er bereits ein durchaus gestandener Komponist, der mehrere Opern und Tondichtungen, eine Sinfonie und zahlreiche Kammermusikwerke uraufgeführt hatte. Außerhalb der engen Grenzen seiner böhmischen Heimat war er allerdings kaum in Erscheinung getreten – ein Schicksal, das er mit zahlreichen seiner an der Entwicklung einer eigenen nationalen Musikkultur interessierten Kollegen, u. a. Bedřich Smetana, teilte. Das sollte sich erst 1892 ändern, als Smetanas Verkaufte Braut ihren Siegeszug über Wien in die Welt antrat.
Für Fibich stellte dieser internationale Erfolg der tschechischen Musik allerdings einen Pyrrhussieg dar, denn der in Wien, Leipzig, Paris und Mannheim ausgebildete, literarisch hochinteressierte Komponist konnte und wollte auf den Zug der böhmischen Dorfkomödie nicht aufspringen. Seine sieben Opern behandeln alle ernste Sujets aus der tschechischen Geschichte oder Mythologie bzw. literarische Stoffe von Shakespeare (Der Sturm 1894), Lord Byron (Hedy 1895 nach Don Juan) und Schiller.
Mit dessen Braut von Messina griffen Fibich und sein Librettist, der Ästhetiker und Musikwissenschaftler Otakar Hostinský, 1882 auf ein Werk zurück, dessen klassischer Tonfall und düster-dramatische Atmosphäre sie ansprachen, das aber bereits bei Schillers Zeitgenossen als missglücktes Experiment galt. Fibich und Hostinský machen aus den Schwächen des Stücks, mit dem Schiller das antike Ideal wiederbeleben wollte, die Stärken ihrer Oper: Die Verknappung des Textes gegenüber dem Schauspiel kommt der Überzeugungskraft der Handlung sehr zugute. Schillers „hohem Ton“, den Hostinský inklusive des Versmaßes in seiner tschechischen Übertragung beibehielt, wird Fibich gerecht, indem er der Deklamation größte Genauigkeit widerfahren lässt. Hier erkennt man bereits den Meister des szenischen Melodrams, der dieser ungewöhnlichen Gattung von gesprochenem Text mit Orchesterbegleitung in den folgenden Jahren zu einer kurzen späten Blüte verhelfen sollte.
Im Sinne des Musikdramas Richard Wagners, von dem Fibich in den 1880er Jahren stark beeinflusst war, ist die Oper durchkomponiert. Es überwiegen Monologe und wenige Dialoge, nur einmal formt sich aus der freien Deklamation ein kurzes Ensemble. Ein differenziertes Netz von musikalischen Leitmotiven reflektiert das Beziehungsgeflecht zwischen Vergangenheit und Gegenwart, das die tragische Handlung von der Fürstin Isabella bestimmt, die ihre beiden Söhne versöhnen und außerdem ihre lang verschollene Tochter in die Familie zurückholen will.
Ein besonderer Coup gelingt Fibich mit der Behandlung der Chöre, denen Schiller als antikes Element besonderes Gewicht verleiht. Bei Schiller eher kommentierend, werden sie in der Oper zu Akteuren, die die Handlung wirklich vorantreiben. Den konkurrierenden Söhnen Manuel und César an die Seite gestellt, greifen sie immer wieder ins Geschehen ein und machen das Gewaltpotenzial der aufgestauten Konflikte erfahrbar. Das setzt Fibich musikalisch ungeheuer kraftvoll, dabei aber sehr differenziert um.
Nach Der Sturm (Bielefeld 2007) und Šarka (Braunschweig 2012) erlebt Die Braut von Messina am 14. März 2015 als letzte der großen Opern Fibichs am Theater Magdeburg ihre deutsche Erstaufführung – mehr als 130 Jahre nach ihrer Uraufführung am Nationaltheater in Prag. In Zusammenarbeit mit DeutschlandRadio, das die Premiere aufzeichnet, wird diese Produktion bei cpo auch auf CD erscheinen.
Ulrike Schröder
(aus [t]akte 1/2015)