Es könnte verwegen anmuten, den riesenhaften symphonischen Geschöpfen Gustav Mahlers musikalisch noch etwas zur Seite zu stellen. Und doch ist dies die Essenz des Auftrags der Jenaer Philharmonie und ihres GMD Simon Gaudenz an den Komponisten Andrea Scartazzini. Zu jeder Symphonie Mahlers entsteht ein kurzes eigenständiges Orchesterstück, das sich mit dessen Musik und Gedankenwelt in Beziehung setzt.
Die ersten beiden Kompositionen Torso und Epitaph wurden bereits aus der Taufe gehoben, und nun steht in Neubrandenburg und in Jena die Uraufführung des dritten Stückes, Spiriti, an. Es verzichtet gänzlich aufs Blech und die Holzbläser kommen nur mit schattenhaften Geräuschen zum Einsatz. Dies als Gegenentwurf zur schieren orchestralen Wucht, die sich in Mahlers dritter Symphonie Bahn bricht. Klanglich dominieren bei Scartazzini ruhige, tiefe mit Gongs und teilweise neuen Perkussionsinstrumenten angereicherte Streicherflächen sowie ätherisch feine, fast tänzerisch anmutende Passagen, die zuletzt übergangslos in Mahlers ersten Satz münden.
„Spiriti“ ist das italienische Wort für Geister. Scartazzinis geisterhaftes Scherzo nimmt damit Bezug auf Mahlers musikalische Kosmologie, die er in der dritten Symphonie verwirklichte. Dessen sechs Sätzen über die unbelebte Natur, die Blumen, Tiere, Menschen, Engel und die göttliche Liebe fügt Scartazzini mit Spiriti einen Satz hinzu, der den Schöpfungsreigen augenzwinkernd ins Reich der Naturgeister erweitert.
Andrea Lorenzo Scartazzini
(aus [t]akte 2/2019)