Nach der siebten und der achten Symphonie hat Jonathan Del Mar nun auch die Neunte Dvořáks herausgegeben. Manche Unklarheit wird darin beseitigt.
Wenn Dvořáks Achte Symphonie immer die fehlerhafteste im sinfonischen Standardrepertoire war, so ist die Symphonie „Aus der Neuen Welt“ die mit den meisten Problemen für Dirigenten und Musiker gewesen. Auch eine Anzahl von Urtext-Editionen, die älteste ein halbes Jahrhundert alt, hat mehr Schwierigkeiten geschaffen als beseitigt.
Wie so oft herrscht auch hier das Dilemma der zahlreichen Unterschiede zwischen Autograph und Erstdruck: Wem vertrauen wir eher? Bis heute waren die Antworten mehr oder weniger ein Rätselspiel. Herausgeber neigten, vielleicht verständlicherweise, eher zur scheinbar heiligen Handschrift, auch aufgrund der Tatsache, dass Dvořák den Druck der Ausgabe nicht überwachen konnte, da er sich auf der falschen Seite des Atlantiks aufhielt. Die Arbeit daran lag freilich in den erfahrenen Händen von Johannes Brahms. Allerdings stellt das Autograph nicht immer das letzte Wort dar. Wir haben zum Glück eine neue Quelle, die uns die Spreu vom Weizen trennen lässt. Sie wurde vor etwas dreißig Jahren entdeckt und ist – höchst überraschenderweise – der vollständige Stimmensatz der New Yorker Uraufführung, der im Archiv des New York Philharmonic überlebt hat. Diese Stimmen wurden direkt von der Abschrift der verlorenen Stichvorlage kopiert. So geben sie uns entscheidende Hinweise auf Dvořáks Änderungen in dieser Abschrift. Aus der enormen Anzahl von Stellen, in denen die Stimmen mit Dvořáks autographer Partitur übereinstimmen, können wir genau erkennen, welche Lesarten in der Erstausgabe von Brahms stammen.
Aber auch die Stimmen der Uraufführung geben keinen Aufschluss über die wichtigste Frage überhaupt: über die Position des Hornrufs im vierten Takt. Dafür jedoch können wir auf eine erst vor wenigen Monaten gemachte Entdeckung zurückgreifen: ein Notenblatt, auf dem Dvořák für einen Vortrag bald nach der Uraufführung flüchtig die Hauptthemen der Symphonie notierte. Dies zeigt schließlich unzweideutig seine endgültige Fassung des fraglichen Taktes, die so seit mehr als hundert Jahren nicht erklungen ist.
Andere seit Langem bestehende und nun gelöste Probleme sind die Verwendung der Dämpfer im Largo – überraschenderweise sollen Celli und Bässe überhaupt nicht gedämpft werden! – und andere kleine melodische Varianten, die zwar keine Probleme darstellen, jedoch fester Bestandteil von Dvořáks erfindungsreichem Kompositionsstil sind.
Jonathan Del Mar
(aus [t]akte 2/2018 – Übersetzung: Johannes Mundry)