Über mehrere Jahre begleitet der Schweizer Komponist einen Mahler-Zyklus der Jenaer Philharmonie mit einem eigenen Werk. Zu jedem Teil entsteht ein symphonischer Satz, und mit jeder Aufführung Mahlers wachsen diese Sätze Scartazzinis zu einem groß angelegten Orchesterstück zusammen. Den Beginn machte Torso im Oktober 2018. Wie dieses knüpft auch Epitaph an einen lyrischen Text von Rainer Maria Rilke an.
Andrea Lorenzo Scartazzini: „Epitaph beginnt nicht bei Null, sondern setzt auf dem Höhepunkt des Vorgängerstücks Torso ein, so dass die Kraft, die sich in dessen langer Steigerung aufgebaut hat, mit heftigen Energieschüben nun vollends entfaltet wird.
Ist die Musik von Torso wie ein lebender Organismus langsam gewachsen und hat das gesamte Orchester immer stärker erfasst, dreht sich dieser Prozess im Laufe des zweiten Stücks allmählich um, die Kräfte entwickeln sich zurück, und die Musik nimmt mehr und mehr den Charakter eines Lamentos an. Damit nähert sie sich dem Ausdrucksbereich von Mahlers 2. Symphonie ,Auferstehung‘, und vor allem deren 1. Satz, den Mahler ja selbst als ,Totenfeier‘ bezeichnet hat. Epitaph ist also ein Stück über den Tod. Zuletzt mündet es in einen rätselhaften Klangraum, in den hinein der Chor drei Verse Rilkes wie eine Grabinschrift stockend rezitiert. ,Denn wir sind nur die Schale und das Blatt. / Der grosse Tod, den jeder in sich hat, / das ist die Frucht, um die sich alles dreht.‘“
MLM
(aus „[t]akte“ 1/2019)