Was passiert, wenn es zu viel gibt von einer expandierenden Energie? Miroslav Srnka versucht einen physikalischen Vorgang musikalisch zu reflektieren.
Anlässlich der 100. Saison des Los Angeles Philharmonic wurde Miroslav Srnka mit einem Ensemblewerk für die experimentelle Konzertreihe „Green Umbrella“ beauftragt. „Overheating“ nimmt seinen Ausgang beim Nachdenken über Jubiläen ganz allgemein. „In einem Gedenktag kann man auch die Zeitspanne wahrnehmen, der gesellschaftlich, politisch oder ökologisch wechselhafte Bilanzen innewohnen“, sagt der Komponist.
Das musikalische Konzept von „Overheating“ basiert auf dynamischen Vorgängen: Klangobjekte, die aus dem Nichts auftauchen, werden kombiniert, kulminieren und formen sich schließlich um. Srnka entwickelt eine Art Kinetik klanglicher Objekte: „Was passiert, wenn es zu viel gibt von einer expandierenden Energie? Was passiert mit harmlosen musikalischen Mitteln in solchen Zuständen?“ Srnka denkt über eine andere Ensemblestruktur nach, in der bewegliche Objekte ihre Aggregatzustände verändern. Ein Element verliert den Ausdruck vom Beginn, wenn es überhitzt. „Flaggen zum Beispiel sind ein stolzes Zeichen von Jubiläen, die, neu aufgehängt, aus der totalen Stille zu wehen beginnen und ihre Bewegung scheinbar aus dem Nichts vollziehen. Sie haben keine harten Kanten und können doch im Sturm zerfetzen. Die Flagge wird zu einem Torso, sie verändert irreversibel ihren Aggregatzustand. Die vergangene Zeit ist ihr eingeschrieben. Das geschieht auch mit den dynamischen Objekten des Stückes.” Die Transformation von Materie ist in „Overheating“ ein eminent musikalischer Vorgang und zugleich eine Eigenschaft von Zeit – so wie diese seit dem Jubiläum verstrichen ist, für das die Komposition entstand.
Marie Luise Maintz
(aus [t]akte 2/2018)