Komponist, Dirigent, Musikmanager, Pädagoge: Mit Oliver Knussen, der am 8. Juli 2018 starb, verliert die Musikwelt einen ihrer ganz Großen.
Oliver Knussen war einer der bedeutendsten und einflussreichsten Komponisten und Dirigenten der Welt, der ein Œuvre von kristallklarer Prägnanz, Komplexität und Fülle hinterlässt. Sein Einfluss auf die Musikwelt – in Großbritannien und weltweit – war außergewöhnlich und ist ein Zeugnis einerseits für seine große Freigiebigkeit und Großmut als Musiker, andererseits für seine unerschöpfliche Liebe zur Kunst der Musik und sein tiefes Wissen über sie.
Geboren im Jahr 1952, studierte Knussen Komposition unter John Lambert in London und unter Gunther Schuller in Tanglewood. Er war erst 15 Jahre alt, als er seine erste Symphonie komponierte (und später die Uraufführung mit dem London Symphony Orchestra dirigierte). Seine dritte Symphonie (1973–1979), die er Michael Tilson Thomas widmete, wird heute als Klassiker des zwanzigsten Jahrhunderts angesehen. Durch überwältigende Ensemblewerke, unter anderem „Ophelia Dances“ (anlässlich des 100. Geburtstags von S. Koussevitzky, 1975) und „Coursing“ (1979), sicherte sich Knussen eine Position an der Spitze der zeitgenössischen Musik in England.
In den 1980er Jahren arbeitete der Komponist mit Maurice Sendak an einem doppelten Opernentwurf – „Where the Wild Things Are“ (Wo die wilden Kerle wohnen, 1979–1983) und „Higglety Pigglety Pop!“ (1984–1985, rev. 1999). Uraufgeführt in Glyndebourne, wurden beide Werke sowohl in Europa als auch in den USA häufig aufgeführt und auf CD und Video eingespielt.
Knussens überschwänglicher Konzerteröffner „Flourish with Fireworks“ (1988) wurde schnell in das Standardrepertoire von Orchestern aufgenommen, ebenso wie seine Konzerte für Horn und Violine. Das Violinkonzert, geschrieben 2002 für Pinchas Zukerman und das Pittsburgh Symphony Orchestra, wurde weltweit über hundert Mal unter Dirigenten wie Barenboim, Dudamel, Eschenbach und Salonen aufgeführt. Jüngere Werke von ihm sind unter anderem „Ophelia’s Last Dance“ (2010) für Klavier, „Reflection“ (2016) für Violine und Klavier und „O Hototogisu!“ (2017) für Sopran, Querflöte und Ensemble. Knussens Musik war 2012 Thema beim Festival „Total Immersion“ des BBC Symphony Orchestra – eine von vielen Veranstaltungen anlässlich seines 60. Geburtstags.
Als einer der führenden Komponisten der Welt war Knussen besonders wegen seines unbeirrbaren Einsatzes für eine große Bandbreite zeitgenössischer Musik bekannt. Er leitete zahlreiche Aufnahmen sowie unzählige Uraufführungen, einschließlich wichtiger Werke von Carter, Henze und Anderson. Als Preisträger des Komponistenpreises der Royal Philharmonic Society im Jahre 2009 war er von 2009 bis 2014 „Artist in Association“ beim BBC Symphony Orchestra; zudem war er Chefdirigent der London Sinfonietta (1998–2002), Leiter der Abteilung für zeitgenössische Musik im Tanglewood Music Centre (1986–1993) und „Artist in Association“ bei der Birmingham Contemporary Music Group. Daneben war er von 1983 bis 1998 künstlerischer Leiter des Aldeburgh Festivals und führte 1992 in Zusammenarbeit mit Colin Matthews die Kurse für zeitgenössische Komposition und Interpretation in das Britten-Pears-Programm ein.
Knussen lebte in Snape, Suffolk und bekam 1994 den britischen Verdienstorden „Commander of the Order of the British Empire“. 2014 wurde er erster Richard Rodney Bennett Professor für Musik an der Royal Academy of Music in London, wo ihm auch vor Kurzem erst der Ehrendoktortitel verliehen wurde. Weitere Auszeichnungen waren unter anderem der Ivor Novello Award for Classical Music, der ISM Distinguished Musician Award und 2015 die Queen’s Medal for Music. Anfang des Jahres wurden Knussens Manuskripte von der Sacher-Stiftung in Basel erworben.
Faber Music
(aus [t]akte 2/2018)