Wo gibt es eine Oper, in der alles mit einem Dreiklang, einer Dreierbeziehung in gegenseitigem Einverständnis ausgeht? In Adolphe Adams Le Toréador ist dies das überraschende Ende. Und auch die Musik bietet viel frischen Wind: einen brillanten und eleganten Orchestersatz mit großem Verführungspotenzial. Das Luzerner Theater bringt eine Neuinszenierung.
Mit Le Toréador ou l’accord parfait (Der Toreador oder Der vollkommene Dreiklang) kam im Jahre 1849 ein Werk zur Uraufführung, das in Adolphe Adams Schaffen eine bedeutende Stellung einnimmt. Der Librettist, Thomas Sauvage, ließ sich von dem auf den ersten Blick konventionellen Muster der Commedia dell’Arte inspirieren. Die Handlung ist in Sevilla angesiedelt und folgende Personen sind auf der Bühne versammelt: ein alter „Graubart“ (Don Belflor, Stierkämpfer im Ruhestand und Schürzenjäger), seine junge Frau (Coraline) und deren Liebhaber (Tracolin). Originell ist das Stück, weil es ein ganz modernes Ende hat: Nichts bekommt der Verbindung zweier Eheleute, die eigentlich gar nicht zusammen passen, besser als ein junger Liebhaber. Die Würdigung einer solchen Dreiecksbeziehung, die – ganz gegen die Gewohnheit – auch von allen Beteiligten gut geheißen wird, ist in der Mitte eines Jahrhunderts, das sich der Moral verschrieben hat, recht erstaunlich. Dazu ist anzumerken, dass in der Zweiten Republik die Libretti nicht mehr bei der Zensur eingereicht werden mussten – was den kühnen Ton des Stücks erklärt. Der Untertitel liefert einen deutlichen Hinweis, worum es geht: Jeder weiß, dass in der Musik ein „accord parfait“, ein vollständiger Dreiklang, aus genau drei Tönen besteht!
Aber es handelt sich noch in anderer Hinsicht um ein bemerkenswertes Werk. Vor ihrer Heirat hatte Coraline in Paris Tracolin kennengelernt. Die junge Frau war Sängerin an der Opéra-Comique; und der junge Mann, ein Flötist, verzehrte sich im Orchestergraben in Liebe nach ihr. So kommt es, dass bestimmte Melodien aus dem Opernrepertoire (insbesondere aus Werken Grétrys) den beiden als „Erkennungszeichen“ dienen: Die an Verzierungen reiche Gesangspartie von Coraline ist das Gegenstück zur Rolle des Tracolin, der ein virtuoses Flötensolo „spielt“.
In den etwa anderthalb Stunden Spieldauer wechseln sich zehn Musiknummern mit gesprochenen Dialogen ab. Für jede Partie sieht Adam ein oder zwei Arien vor. Im ersten Akt finden sich zwei Terzette von schönster Machart, wobei das zweite zweifellos das Juwel des ganzen Stücks darstellt: Es handelt sich dabei um Variationen über „Ah! vous dirai-je, maman“, in denen sich Virtuosität mit Komik verbindet. Jeder Akt schließt mit einem durchkomponierten, perfekt gebauten Finale.
Die Singstimmen begleitet ein brillant-schwungvoller Orchesterpart, der sich am eindrucksvollsten in der fast 400 Takte umfassenden Ouvertüre entfaltet. Das Werk besticht durch die Eleganz und Leichtigkeit seines Kompositionsstils, die Verführungskraft vor allem der Sopranpartie sowie den gut funktionierenden Handlungsverlauf, der von echtem Sinn für Komik erfüllt ist.
Die Edition bei Bärenreiter ist die erste quellenkritische Ausgabe dieser Oper überhaupt. In ihr sind die gesprochenen Dialogtexte zum ersten Mal in die Musiknummern integriert. Die Ausgabe stützt sich auf die im Jahre 1849 etwas oberflächlich edierte Orchesterpartitur, die mit Adams Manuskriptautograph sowie dem zeitgenössischen Orchestermaterial und dem Klavierauszug verglichen wurde. In den beiden letztgenannten Quellen finden sich zahlreiche Anmerkungen aus der bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts reichenden Zeit der Aufführungen des Werks an der Opéra-Comique.
Paul Prevost
(Übersetzung: Irene Weber-Froboese)