Logo: takte
Das Bärenreiter Magazin
  • Portrait
  • Musiktheater
  • Orchester
  • Zeitg. Musik
  • Gesamtausgaben
  • Publikationen
  • Termine
  • Kontakt

English switch to english

Die Oper ist tot, es lebe die Oper!

Foto oben: "Selbst schuld, wer das verpasst": Manfred Trojahns "Orest" in Zürich (Foto: Judith Schlosser)

Foto vorherige Seite: "wild, wuchtig, packend..." Andrea Lorenzo Scartazzinis "Edward II" an der Deutschen Oper Berlin (Foto: Monika Rittershaus)

Höchst lebendig ist sie, die Kunstform Oper. Zeitgenössisches Musiktheater füllt die Häuser, als große Oper für ein großes Publikum.

Miroslav Srnkas Doppeloper South Pole erzählt den berühmten Wettlauf zweier Männer zum Südpol und ihren erbitterten Kampf um „ewigen“ Ruhm im ewigen Eis als aktuellen Theaterstoff über die Hybris des Menschen. Nach zwei Aufführungsserien an der Bayerischen Staatsoper München kommt nun bereits eine Neuproduktion am Staatstheater Darmstadt heraus, Hausherr Karsten Wiegand inszeniert. Und auch Srnkas Kammeroper Make No Noise ist unterwegs: Mit der Produktion der Bregenzer Festspiele wird sie ihre tschechische Erstaufführung bei den Biennial Ostrava Days im September erleben, im folgenden Jahr wird sie in Prag gespielt.

In seiner jüngsten Oper Orest erzählt Manfred Trojahn den antiken Stoff um den Muttermörder als das Psychogramm eines gebrochenen Mannes nach seiner Tat, der sich schließlich aus der Fremdbestimmung befreit. Bis in die heutige Zeit ist er – als Täter und Opfer – eine politisch wie psychologisch hochbrisante Figur. Trojahns Orest erlebte im Februar eine gefeierte Neuinterpretation durch Hans Neuenfels am Zürcher Opernhaus. Die Erstproduktion der Oper in Amsterdam wurde von der Opernwelt zur „Uraufführung des Jahres 2012“ gewählt. In Hannover wurde diese Inszenierung nachgespielt, in Wien gab es eine Neuproduktion. „Selbst schuld, wer das verpasst“, leitet die F.A.Z. den Chor enthusiastischer Pressestimmen an. Hans Neuenfels und sein Team, Georg Nigl in der Titelpartie und das Sängerensemble als Interpreten des „herausragenden Werks der neuesten Operngeschichte“ gestalten einen „Triumph der Beteiligten“ in dieser „gelungenen Fortschreibung eines bekannten Theaterstoffs“ (Neue Zürcher Zeitung). Und noch ein weiteres Werk von Manfred Trojahn erfuhr eine erfolgreiche Neuinterpretation: Limonen aus Sizilien an der Volksoper Wien. Die drei italienischen Geschichten nach Luigi Pirandello und Eduardo de Filippo fanden eine ungeteilt positive Resonanz.

Und sie bewegt sich doch: Oper ist ein langsames Medium, denn Komponisten und Librettisten arbeiten an einem Werk über viele Jahre, Tagesaktualität ist hier kaum möglich. Und doch blicken die Autoren auf ein Sujet mit den Augen ihrer Zeit, und ihre Realisierung kann einen Hinweis auf die gesellschaftliche oder auch politische Relevanz geben. Dies zeigt die erhitzte Diskussion um die neue Oper von Andrea Lorenzo Scartazzini. Edward II nach einem Stoff von Christopher Marlowe und einem Libretto von Thomas Jonigk wurde Mitte Februar an der Deutschen Oper Berlin in einer Inszenierung von Christof Loy zum Zündstoff extremer Kontroversen. Die Handlung um einen homosexuellen König wird von Loy bildmächtig mit handfesten Verweisen auf schwule Klischees in Szene gesetzt. In den Medien stehen sich begeisterter Jubel bis einhellige Ablehnung gegenüber, beim Publikum ist das Werk erfolgreich. Eine Glosse in der ZEIT zieht eine Flut von Leserbriefen nach sich. Der Tagesspiegel fand die Oper „wild, wuchtig, packend … packendes, kraftvolles Musiktheater geht da über die Bühne, saugt die Zuschauer in einen Strudel aus Bildern und Klängen, reißt Assoziationsräume auf, verführt, verschreckt.“ Die Neue Zürcher Zeitung sieht das ähnlich: „Sehr farbig, bildkräftig, dicht ist die Musik … nie verdeckt sie die Gesangsstimmen. Sie schattiert die Einsamkeit des Königs (Michael Nagy), seine Gebrochenheit als gehetzter Außenseiter. Aber auch die Figuren in seinem Umfeld …, sie alle entfalten ihre je eigene Aura.“ Für die totgesagte Kunstform sind alle Nachrichten gute Nachrichten. Die Oper ist tot, es lebe die Oper!  

Red.
(aus [t]akte 1/2017)

zurück

English switch to english

Musiktheater

Tödliche Begegnungen. Miroslav Srnkas neue Oper „Voice Killer“
Von Hölzern und Eidechsenengeln. Beat Furrers Oper „DAS GROSSE FEUER“ für Zürich
Von fernen und magischen Welten. Joseph Haydns Opern
Astrale Zwillingsliebe. Die erste Fassung von Rameaus Oper „Castor et Pollux“
„Einfach brillant!“. Marco Comin ediert Musik von Francesco Bartolomeo Conti
Ägypten in Fontainebleau. Jean-Philippe Rameaus Oper „La Naissance d’Osiris"
„Carmen“ unter der Lupe. Das Potenzial der Fassungen
Das Orchester spielt die Hauptrolle: Bruno Mantovanis Oper „Voyage d’automne“
Akribische Revision „Giselle“ endlich auf sicherem Boden
Dramatisch wirksam. Franz Schuberts Werke für Musiktheater
„Most agreeable“. Ein Bauernsohn ist Held in Händels „Giustino“
Von London nach Braunschweig: Händels Oper „Siroe“
Die Rekonstruktion von Rameaus „Io“ für die „Opera omnia Rameau“
Ohne Konzessionen. Die originale „Cavalleria rusticana“
Charlotte Seithers Dialog-Oper „Fidelio schweigt“ in Gelsenkirchen
ImpressumDatenschutz