Die Tragedia lirica „Caterina Cornaro“ von Gaetano Donizetti wurde am 18. Januar 1844 im Teatro San Carlo zum ersten Mal aufgeführt. Mehr als 170 Jahre danach erscheint sie erstmals in einer zuverlässigen Edition.
Venedig, im 15. Jahrhundert. Die Vermählung von Caterina und Gerardo wird abgesagt. Statt seiner möchte Lusignano, der König von Zypern, Caterina heiraten. Weigerte sie sich, so würde Gerardo umgebracht. Nachdem man diesen glauben gemacht hat, dass sie ihn nicht mehr liebe, nimmt er unter Drohungen seinen Abschied und verflucht den Tag, an dem er sie zum ersten Mal sah. Auf Zypern unternimmt der venezianische Gesandte Mocenigo – der die Insel unter Venedigs Herrschaft zu bringen trachtet – den Versuch, Gerardo zu töten. Lusignano, von Mocenigo vergiftet und deswegen geschwächt, verhindert den Mord. Die Venezianer schicken sich an, Lusignanos Reich anzugreifen. Gerardo, der sich auf Rhodos dem Johanniterorden angeschlossen hat, eilt ihm zu Hilfe. Der König wird tödlich verwundet und vertraut im Sterben sein Volk Caterina an.
Zunächst für das Wiener Kärntnertor konzipiert, wurde das Werk 1842 erst einmal zurückgestellt: Im November desselben Jahres kam dort eine gleichnamige Oper von Franz Lachner zur Aufführung.
Aus Neapel erhielt Donizetti den Auftrag, eine neue Oper auf der Grundlage von Victor Hugos Drama Ruy Blas zu schreiben. Doch stand der Komponist unter Zeitdruck und musste anderen Pflichten genügen. So schlug er vor, für das Teatro San Carlo die halbfertige Oper zu vollenden. Zwar war die Theaterleitung nicht begeistert, doch Donizetti ließ sich davon nicht beirren. In einem Brief vom März 1843 bittet er den Librettisten Sacchèro um dessen Hilfe: Unter anderem wünscht er sich Text für „eine kraftvolle Cabaletta zum Auftritt des Königs“; außerdem solle der Chor ins Quartett einbezogen werden, und am Beginn des dritten Aktes solle ein Duett von Caterina und Lusignano stehen. Zwar wurden nicht alle Wünsche Donizettis erfüllt, doch im Juni 1843 war das Stück fertig und ging nach Neapel.
Viel lag Donizetti an der Sängerin der Hauptrolle. Er schlug sogar vor, die Premiere zu verschieben, bis eine Sopranistin gefunden sei, „die völlig gefällt“. In Frage kamen Anna Bishop und Fanny Goldberg; letzterer gab Donizetti klar den Vorzug, „sollte es keine bessere geben […] denn Mme Bishop hat eine allzu kleine Stimme“.
Aus gesundheitlichen Gründen konnte Donizetti nicht nach Neapel reisen, um wie damals üblich die Oper einzustudieren. Er empfahl stattdessen, „sollten während der Proben irgendwelche Schwierigkeiten auftauchen, etwas nicht gut instrumentiert oder zu schwach oder zu laut sein“, Mercadante zu bitten, einzugreifen, als sei die Musik dessen eigene. Trotz all dieser Vorkehrungen fiel das Werk bei der Premiere durch; applaudiert wurde lediglich nach drei Nummern. In einer Zeitung war zu lesen, „dass Donizetti nachlässig komponiert, die Partitur mit Reminiszenzen übersät und ein schlechtes Werk abgeliefert habe, […] dass es überhaupt kein wirkliches Werk Donizettis sei“. Nach diesem Fiasko beschloss Donizetti, nie wieder für Neapel zu arbeiten. Doch den Glauben an sein Stück hatte er nicht verloren: Er beschloss, es für eine Neuproduktion in Parma im Januar 1845 in Teilen zu revidieren; der Bariton Felice Varese, einer seiner Lieblingssänger, sollte darin mitwirken. Doch krank und überarbeitet, konnte er weniger Änderungen vornehmen als geplant. Eine wichtige allerdings betrifft das Finale: Die Cabaletta Caterinas, die in Neapel keinerlei Applaus bekommen hatte, ersetzte er durch eine Sterbeszene für Lusignano. Vieles spricht freilich dafür, dass diese Revision das Theater zu spät erreichte und sie nicht zur Aufführung kam.
Die neue kritische Ausgabe des Bärenreiter-Verlags ist die erste moderne Ausgabe der Oper überhaupt. Sie enthält die Fassung der Uraufführung in Neapel. Wo es möglich war, sind die Änderungen für Parma angezeigt. Das zweite Finale, das lange als verschollen galt, ist in einem Anhang enthalten; damit wird es erstmals zugänglich. Ein ausführlicher kritischer Kommentar erläutert die verschiedenen Schichten des Kompositionsprozesses so gründlich wie möglich.
Hans Schellevis
(aus [t]akte 1/2018)