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Gluck-Premieren in Wien

Foto: Telemaco im Theater an der Wien, Premiere: 19.2.2012, Akademie für Alte Musik Berlin, Arnold Schoenberg Chor, Musikalische Leitung: René Jacobs, Inszenierung: Torsten Fischer (Foto: Armin Bardel)

Gluck war mehr als der „Opernreformer“. Vor dem Gluck-Gedenkjahr 2014 lohnt es sich, auch einen Blick auf seine Opere serie und Opéras comiques zu werfen – praxistaugliche Entdeckungen garantiert.

Von der Musikwelt wurde Christoph Willibald Gluck lange Zeit ausschließlich als „Opernreformer“ wahrgenommen, der mit seinen Werken Orfeo ed Euridice und Alceste der italienischen Oper eine neue musikdramatische Richtung gab und mit im Auftrag der Pariser Académie Royale de musique komponierten Opern wie Iphigénie en Aulide auch dem französischen Musiktheater zu einem epochalen Neuanfang verhalf. Entsprechende Vormachtstellung genossen diese Reformwerke als Repräsentanten des Gluck’schen Schaffens auf der Bühne, stellen aber gleichwohl nur einen Teil seines Œuvres dar. Der 2014 zu feiernde 300. Geburtstag Glucks bietet daher einen willkommenen Anlass, die in den letzten Jahren einsetzende Neu- bzw. Wiederentdeckung insbesondere seiner Frühwerke fortzusetzen.

Auf Grundlage der nach Editionen der Gluck-Gesamtausgabe erstellten Aufführungsmateriale können nun Glucks Opere serie nach über 250-jähriger Aufführungspause aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt und dem Vergessen entrissen werden. Denn mit eben dieser im 18. Jahrhundert vorherrschenden Gattung, die er zunehmend von starren Konventionen befreite, hat sich Gluck in den ersten zwei Jahrzehnten seines Schaffens – und vereinzelt auch noch später – ausgiebig auseinandergesetzt.

Sein Debüt als Opernkomponist in Wien gab er 1748 mit der Vertonung von Pietro Metastasios Drama La Semiramide riconosciuta, ein auf Verkleidung und Intrigen basierendes Verwirrspiel um die sagenhafte babylonische Herrscherin, die zunächst unerkannt in Männerkleidern regiert, nach ihrer Enttarnung aber vom Volk als Königin akzeptiert wird. Gluck sorgte mit einer Bühnenmusik „d’istromenti barbari“, einer Tanzszene und solistisch geführten Instrumenten für klangliche Abwechslung, musste aber dennoch Metastasios Verdikt hinnehmen, es handele sich um „unerträglich erzvandalische Musik“. Vermutlich wurde die in den dramatischen Szenen expressiv akzentuierte Führung der Singstimmen und deren unvermittelter Einsatz ohne Orchestervorspiel als ungewohnt empfunden. Aber es mögen gerade die vom gängigen italienischen Geschmack abweichenden melodischen Wendungen sein, die Glucks Vertonung auch heute noch reizvoll erscheinen lassen.

Ähnliches gilt für die 1750 im Prager Teatro Nuovo uraufgeführte Oper Ezio: Glucks musikalische Umsetzung des metastasianischen Intrigenspiels um den römischen Feldherrn, der beinahe durch den Neid des Kaisers Valentinian zu Fall gebracht wird, besticht durch präzise Personencharakteristik und differenzierte Darstellung von Empfindungen, wobei sich insbesondere die ausdrucksstarke Verzweiflungsarie der Fulvia „Ah, non son io che parlo“ zu einer gefragten Herausforderung für Mezzosopranistinnen entwickelt hat. Auch mit seiner dreizehn Jahre später für das Wiener Burgtheater umgearbeiteten Fassung des Ezio blieb Gluck der Seria-Tradition weitgehend verpflichtet, sorgte aber durch erweiterte Ensembles, zusätzliche Accompagnati und einer stärkeren Einbindung der Sinfonia in den Handlungsbeginn für eine Steigerung der dramatischen Stringenz und schien somit die Grenzen der Gattung auszuloten. Zudem wurde die Instrumentation des Wiener Ezio durch Flöten, Solo-Fagotte, Trompeten und Pauken bereichert.

Noch stärker zwischen Tradition und Fortschritt verortet ist die 1765 entstandene Oper Il Telemaco ossia L’isola di Circe nach der Textvorlage Marco Coltellinis, die Telemachs Suche nach dem verschollenen Vater und beider Zusammentreffen auf der Insel der Zauberin Circe sowie deren Verzweiflung angesichts des drohenden Verlusts des geliebten Odysseus zum Inhalt hat. Zwar erhält auch dieses Auftragswerk für den Wiener Hof noch konventionelle Seria-Elemente wie schematisch angelegte Secco-Rezitative und Da-capo-Arien, aber daneben brechen großgliedrige Szenenstrukturen mit Handlungs-Chören und integrierten Tanzszenen die starren Gattungsprinzipien auf. Und es scheint das abwechslungsreiche Nebeneinander von aktionsgeladenen Abschnitten und lyrischen Einheiten zu sein, das den Reiz des „Zwitterwerkes“ ausmacht.

Parallel zu Glucks Seria-Schaffen und dem Beginn der Reformbestrebungen verlief seine Beschäftigung mit der Opéra comique, die mit La Rencontre imprévue 1764 einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Als Die unvermuthete Zusammenkunft oder Die Pilgrime von Mekka wurde das Werk 1780 in einer eigenständigen deutschen Singspielfassung im Wiener Burgtheater dargeboten. Die hierzu erhaltene originale Aufführungspartitur hat Josef-Horst Lederer 2008 veröffentlicht, so dass neben Glucks von türkischem Kolorit geprägter Musik insbesondere die Situationskomik der Handlung nun auch in deutschsprachiger Version erlebt werden kann.

Tanja Gölz
(aus [t]akte 2/2012)

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