Miroslav Srnkas Make No Noise wurde im Rahmen der Münchner Opernfestspiele im „Pavillon 21 Mini Opera Space“ der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt: eine Kammeroper über die Suche nach zwischenmenschlicher Kommunikation.
Make No Noise erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die auf einer Ölplattform einen in einem Feuer schwer verletzten Mann pflegt. Sie ist nahezu taub, er trägt schuld am Tod seines besten Freundes, der in dem Brand auf der Plattform umgekommen ist. Beide besitzen keine Worte für die Ereignisse, die ihr Leben schlagartig verändert haben. Beide haben einen erträglichen Weg gefunden, um mit ihrer jeweiligen Vergangenheit umzugehen: das Schweigen. Als sie auf der stillgelegten Bohrinsel aufeinandertreffen, spüren sie in ihrer eigenartigen Verbindung eine Möglichkeit, mit ihren Traumata leben zu können. Make No Noise ist die Geschichte einer Annäherung, des Beginns einer Kommunikation, einer Heilung.
Miroslav Srnkas Opernprojekt nahm in einer Art „Recherche über die Kommunikation“ seinen Anfang. Die abendfüllende Kammeroper wurzelt in einem fast weltumspannenden Diskurs über das Musiktheater – zwischen einem australischen Regisseur, einem (damals) in Norwegen lebenden Schriftsteller und dem tschechischen Komponisten Miroslav Srnka. Er erhielt 2007 zusammen mit dem Regisseur Matthew Lutton eines der begehrten Jerwood Fellowships von Aldeburgh Music, das es den jungen Künstlern ermöglicht, im Team ein Musiktheater zu konzipieren, und das gemeinsame Workshops und Recherchereisen einschloss. In diesem Stadium kam der Schriftsteller Tom Holloway dazu. Dieses Förderungsmodell stellt eine reizvolle Alternative zum herkömmlichen Kompositionsauftrag dar, denn es ermöglicht, wie Srnka beschreibt, „eine große Freiheit, da der Komponist nicht der einzige maßgebliche Autor ist, der alleine vor dem Papier sitzt. Die Bühnenumsetzung ist Teil des Kompositionsvorgangs, es wird also wirklich ein Schritt hin zum ‚Gesamtkunstwerk‘ vollzogen. Wir arbeiten zusammen an allen Parametern des Abends, suchen nach einem konsequenten Ganzen, das sich aus der Zusammenarbeit entwickelt.“ Dieser Entstehungsprozess wurde in einem sehr tiefgreifenden Sinne prägend für das Werk.
Den Ausgang bildeten ganz grundlegende Fragen über das Musiktheater. Srnka: „Am Anfang unserer Arbeit standen einige Prämissen, die den ganzen Entstehungsprozess beeinflusst haben. Die Fragen: Wie entwickelt man eine Oper? Warum überhaupt noch Gesang auf der Bühne? Was ist die Rolle der Instrumentalmusik? Warum andere als akustische erzeugte Klänge einsetzen?“
Die Teamarbeit beschreibt Srnka als Notwendigkeit: „Wir sind davon ausgegangen, dass ein gutes Musiktheater nur dann entstehen kann, wenn Librettist, Komponist und Regisseur von Anfang an zusammenarbeiten. Daraus hat sich die einmalige Konstellation ergeben, dass ich den Regisseur meines Stückes kannte, bevor wir an dem Stück überhaupt angefangen haben zu arbeiten. Wir konnten uns mehrmals in Aldeburgh und zweimal in Australien treffen, zudem eine Studienreise nach Kopenhagen unternehmen.“
Die Recherchereise zum International Rehabilitation Council for Torture Victims (IRCT) und das Treffen mit dessen Gründerin Inge Genefke, Trägerin des Alternativen Nobelpreises (Right Livelihood Award) in Kopenhagen wurde zum Wendepunkt in der Konzeption: „Die Begegnung mit dieser unglaublich beeindruckenden Frau war die entscheidende Wandlung in dem Entstehungsprozess. Bis dorthin hatten wir uns mit einer Adaptation des Films The secret life of words von Isabel Coixet beschäftigt (worin Inge Genefke als eine der Hauptrollen – wie auch in unserer Oper – als die einzige ‚reale‘ Person der Geschichte vorkommt). Seitdem schreiben wir ein eigenständiges Werk. Wir durften einige ihrer ehemaligen Trauma-Patientinnen treffen, die einen langen Weg ins ‚normale’ Leben hinter sich haben. … In der Mitte eines solchen Weges befindet sich unsere Hauptheldin Hanna. Die Oper handelt von einem kurzen Abschnitt, in dem sie versucht, ihr Leben und Trauma erstmals zu artikulieren und dadurch zufällig die ganz anders gearteten Trauma-Erfahrungen ihres Patienten Joseph entdeckt. Gerade die Entwicklung der Kommunikationsmöglichkeit zwischen den beiden wird zum zentralen Thema der Oper. Und natürlich die sich aus dieser Kommunikation entwickelnde Beziehung.“
Aus dieser Entwicklung resultiert die musikalische Konzeption der Oper, der Umgang mit der Stimme. Singen wird für die beiden Protagonisten zu der Sprache, die ihnen einen utopischen Weg aufzeigen kann. „Die Frage ‚Warum singt man in der Oper?‘ wird dadurch beantwortet: Um durch das Singen eine neue Möglichkeit zu gewinnen, das Leben zu artikulieren. Das Singen entwickelt sich also im Verlauf der Oper – von der Unmöglichkeit, vokale Klänge zu produzieren bis hin zu einem freien Ausdruck. Das ist auch der Schlüssel zu meiner Behandlung der Stimmen: Ich lasse sie durch mehrere Stadien des ‚Stimme-Gewinnens‘ gehen. Das heißt auch, dass die Stimmen nicht auf eine spezifische zeitgenössische Gesangstechnik begrenzt sind. Im Gegenteil, die Bewegung durch unterschiedliche Techniken wird zur dramaturgischen Grundlage der Stimmenbehandlung. Dementgegen demonstriert die Ensemblemusik alles, was diese Kommunikation verhindert. Das Ensemble vollzieht also eine gegensätzliche Entwicklung zu der langen Entwicklungslinie der Gesangsstimmen: ein langes Decrescendo. Dazu ist als dritte Schicht eine elektronische gekommen: Sie repräsentiert eine geschlossene Welt der Titelheldin, in die kein anderer eintreten darf … Doch vielleicht, hoffentlich das Publikum.“
Marie Luise Maintz
(aus [t]akte 1/2011)