In meinem Stück Winterreise nähere ich mich der Musik eines anderen, wie man es vielleicht ungestraft nicht tun darf. Die Frage des Protagonisten, des Wanderers am Ende seines Weges „… willst zu meinen Liedern deine Leier drehn?“ ist Ausdruck der Komposition, in deren weiterem Verlauf nur harmonisches und melodisches Material auftaucht, das sich – rhythmisch, dynamisch und motorisch vibrierend – seinen Weg und seine Zeit bahnt, ohne ein Ziel zu erreichen, ja ohne nur eine anzustreben. Es werden keine Fragen gestellt und keine beantwortet. Dem Phänomen Schubert und seinem Werk ist nichts hinzuzufügen. Mit der Instrumentierung des im Januar 1828, also einige Monate nach Beendigung der Winterreise komponierten Liedes „Der Winterabend“, die das Stück abschließt, gebe ich Schubert zurück, was ich mir in meinem Leben von ihm geliehen habe. Ich gestehe, dass mir auch die Texte wichtig sind. Wo die absolute Isolation des „Fremdlings“ aufbricht in der Frage an den Leiermann „… willst du mit mir gehen?“ und im „Winterabend“ in der Begrüßung des Mondenscheins, dem zugetraut wird, das wahre Innere schon zu kennen, schließt sich etwas, das tief berührend ist. Die entschieden wichtigere Frage, ob diese Winterreise eine Reise zurück, eine Reminiszenz, eine Art Nachbeben darstellt oder ob sie doch auch Symptome unserer Zeit widerspiegelt, konnte ich mir während der Arbeit letztlich nicht selbst beantworten, da es sich ja schließlich nicht um Dinge handelt, die willentlich so oder so entschieden werden.
Heinz Winbeck