Beim Prager Frühling wird im Mai My life without me uraufgeführt, das Monodram einer Frau, deren Welt aus den Fugen gerät.
Ein starker Plot, dramatisch und ohne Sentimentalitäten: In My life without me arrangiert Ann, eine junge Frau, die Zeit bis zu ihrem Tod und danach. Das verbleibende kurze Stückchen Leben nutzt sie dazu, ihrem Mann und ihren beiden Töchtern eine neue Mutter und Frau zu finden, eine Affäre zu haben und in jeder Hinsicht zu lieben und zu leben. Das Sujet nach Isabel Coixets gleichnamigem Film erlebt der Zuhörer von Miroslav Srnkas My life without me als packendes Monodram einer Frau im Dialog mit ihrer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Wir hören ihre Gespräche, ihre Gedanken, ihr Tun als einen virtuosen Gesang in den extremen Stimmungslagen vom Alltagsgeplauder bis zum hochemotionalen Espressivo. Das Faszinierende an dem imaginären Dialog mit der Welt sind die verschiedenen Stimmen dieser Frau, die der Instrumentalpart in verschiedene klangliche Räume stellt und zu denen er einen imaginären Gesprächspartner bildet.
In seiner Komposition stellt Srnka drei Textebenen ineinander: „Dialogues“, „Monologues“ und „Recordings“. Die erste bildet quasi in Echtzeit die Gespräche der Frau ab – mit ihrer Umwelt, dem Arzt, den Töchtern, ihrem Mann, dem Geliebten, ihrer Mutter. Dazwischen sind innere Monologe in das Werk eingefügt, die von der Sängerin a cappella in einer nicht gestützten Stimme gesungen werden. Am Schluss stehen schließlich jene „Recordings“: Tonbandaufzeichnungen, die Ann für ihre Töchter zu deren Geburtstagen, ihren Mann und ihren Geliebten vorbereitet. Die Handlung wird dadurch mit anderen Zeitebenen überlagert: in den zwei „Monologues“ mit überzeitlichen Kommentaren zum Geschehen und in den abschließenden „Recordings“ mit dem Blick in die Zukunft, die für Ann nur eine imaginäre Größe bleiben kann. Miroslav Srnka resümiert: „Die Sängerin bewegt sich zwischen diesen drei Textebenen, die auch klanglich sehr unterschiedlich gestaltet sind. Mich interessiert die Auseinandersetzung mit verschiedenen Zeitstrukturen, die das Selbstreflektive der Monologe und das unbewusst Narrative der Dialoge sowie das jetzt Gesagte, aber in der Zukunft zu Hörende der Wünsche voneinander trennen. Es geht um eine kompositorische Gestaltung von Zeit, die sich nicht auf etwas Szenisches bezieht. Die Zeit wird von der Hauptfigur sowohl real erlebt, als auch gedanklich festgehalten und bewusst für die Zukunft konserviert.“ Nachdem das Ensemble Intercontemporain die „Dialogues“ aus My life without me 2008 in Paris uraufgeführt hatte, präsentiert es nun die Uraufführung des Werks beim Prager Frühling in der Heimatstadt des Komponisten.
Marie Luise Maintz
(aus [t]akte 1/2o13)