Philipp Maintz’ Orchesterlieder tríptico vertical nach Gedichten von Roberto Juarroz werden im Juni von Marisol Montalvo und den Münchner Philharmonikern unter Leitung von Christoph Eschenbach uraufgeführt.
Die Gedichte des argentinischen Dichters Roberto Juarroz sind Erkundungen des Unbekannten, zeichnen mit eindringlichen Bildern von der Weite, von Wassern und Kontinenten gleichsam Koordinaten in die Endlosigkeit und blicken in der Vertikale in den Abgrund. Fragen an Philipp Maintz.
Was an der Dichtung von Juarroz ist es, das Sie interessiert, zum Komponieren anregt?
Philipp Maintz: Es war bei Juarroz wie so oft: zuallererst bringt das Gedicht bei einer ersten Begegnung etwas zum Schwingen, lässt mich eine Musik erahnen. Zudem hat mir die quasi musikalische Form gut gefallen: Ich lese in den ersten beiden Gedichten so etwas wie Antithesen, das dritte bündelt sie, zieht Konsequenzen und weist über die ersten beiden hinaus. Darüber hinaus habe ich mannigfaltige Möglichkeiten gefunden, Querverbindungen zu ziehen. Die Musik ist wie die Gedichtgruppe als Triptychon angelegt: hier zwei große „Flügel“ außen und in der Mitte eine schnelles, lichtes, helles Mittelstück.
Wie gehen Sie mit der Stimme um? Wieder komponieren Sie für Marisol Montalvo, die ja Interpretin Ihrer Oper Maldoror gewesen ist. Gibt es eine Beziehung zwischen der vokalen Schreibweise und genau diesem Text?
In gewisser Weise beeinflusst das die formale Konzeption. Ich habe festgestellt, dass es beim Arbeiten ein ganz eigenartiges Amalgam gibt, das aus Inspiration durch den Text, aber auch der Imagination ihrer Stimme und formalen Überlegungen entsteht. — Die Musik und die Form des Stückes tauchten wie aus dem Nebel auf einmal klar vor mir auf. Interessanterweise ist dies ja auch, was das Triptychon von Juarroz beschreibt — das Werden unseres Horizontes, die Konstitution von „Sinn“, womit wir bei den als musikalisch herauslesbaren Implikationen des Textes wären.
Komponieren für Orchester mit Gesang hat eigene Herausforderungen. Wie gehen Sie, vor allem auch nach der Erfahrung mit der Oper Maldoror und der Baritonszene Wenn Steine sich zum Himmel stauen …, mit dem Orchester um?
Die Oper war eine Art Aha-Erlebnis für mich, bei der vieles intuitiv entstanden und gelungen ist. In der Komposition nach Chlebnikov ging es mir dann vor allem darum, einen sehr transparenten Orchestersatz zu schreiben. Ich habe auch gemerkt, dass eine gewisse Ungleichzeitigkeit zwischen Gesang und orchestralem „Kommentar“ sehr reizvoll sein kann. Stellenweise habe ich nun das Orchester vom Sopran dezidiert „abgerückt“. Das hat bisweilen eine sehr eigene verstärkende Wirkung. Wenn ich in die „Brennweite“ im Verhältnis von Sopran und Orchester immer wieder eingreife, entstehen auf einmal ganz andere perspektivische Verhältnisse zwischen „Ursache“ (also dem Text, vom Sopran vorgetragen) und der Wirkung (dessen „Resonanz“ im Orchester), die wiederum den Prozess der Sinnkonstitution maßgeblich mitbeeinflussen.
Gibt es einen zyklischen Gedanken, oder stehen die Lieder jeweils für sich?
Es gibt musikalisches Material, das „weitergereicht“ und auch weitergedacht wird. Dezidierte Rückgriffe (also quasi Querzitate) erschienen mir in dem Fluss eher hinderlich. Das erste und das zweite Lied sind quasi zusammengewachsen, obwohl man eine Zäsur hören kann. Das zweite entspinnt sich aus dem Nachhall des ersten. Das dritte beginnt mit einer sehr deutlichen Zäsur, stellt eine Klanglandschaft wieder her, die schon im ersten bestanden hatte, — und biegt dann in eine komplett andere Richtung ab …
(aus [t]akte 1/2014)