Logo: takte
Das Bärenreiter Magazin
  • Portrait
  • Musiktheater
  • Orchester
  • Zeitg. Musik
  • Gesamtausgaben
  • Publikationen
  • Termine
  • Kontakt

English switch to english

Der japanische Komponist Ichiko Nodaïra

Johann Sebastian Bach
Contrapunctus III und Fuga a tre soggetti aus Die Kunst der Fuge. Instrumentierung von Ichiro Nodaïra
21. Dezember 2015 Hamburg (Laeiszhalle), Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Leitung: Kent Nagano
Verlag: Éditions Henry Lemoine / www.henry-lemoine.com · Vertrieb: Bärenreiter · Alkor

Wer sich mit der Musik des 1953 geborenen japanischen Pianisten und Komponisten Ichiro Nodaïra beschäftigt, wird zunächst nach Spuren dessen kultureller Herkunft forschen. In der Tat schreibt Nodaïra zwar „westlich“, verzichtet jedoch nicht auf eine eigene Identität und schlägt so eine Brücke zwischen zwei Kulturen. Die erhabene Flöte, die seine 2005 in Kiel uraufgeführte Oper La Madrugada in Gang bringt oder sich in Le Tourbillon du labyrinthe (für Flöte und Klavier) unendlich anmutig durch die Klänge bewegt: Unmöglich, sie nicht mit der „Kabuki“, der beschwörenden Flöte des japanischen Theaters, in Verbindung zu bringen. Indessen kommt die schöpferische Persönlichkeit Nodaïras eher in den tiefer liegenden Schichten seiner Kompositionen zum Ausdruck als auf einer auf den malerischen Einsatz gewisser Instrumente oder instrumentaler Idiome reduzierbaren Oberfläche.

Den besten Zugang zu Nodaïras Werk bietet unter diesem Gesichtspunkt seine Kammermusik. Formal lässt sie sich der europäischen Tradition zuweisen, wobei Nodaïra seine ihm eigene Erfindungskraft und kompositorische Fertigkeit durchaus zur Geltung zu bringen vermag: so in zwei Streichquartetten (1996 bzw. 2001), Stücken für Soloinstrumente, in Arabesque III für Saxofon und Klavier, Arabesque V für Tuba und Klavier, dem bereits erwähnten Tourbillon du labyrinthe und in En plein air für Solobratsche.

Nodaïra schloss noch in jungen Jahren sein Studium an der „Geidai“, der Hochschule für Bildende Kunst und Musik von Tokio (der bedeutendsten dieser Art in Japan), mit dem Diplom ab. 1978 kam er nach Paris, wo er sich am Conservatoire national supérieur de musique et de danse in den Fächern Komposition, Analyse und Begleitung weiterbildete und am Ircam den Studiengang elektronische Musik und musikalische Informatik belegte. In den Pariser Jahren spielte er außerdem als Solist in zahlreichen auf zeitgenössische Musik spezialisierten Ensembles.

Etliche von Nodaïras Kompositionen beziehen elektronische Musik ein, z. B. die Quatorze écarts vers le défi (1990/91 komponiert und 2013 revidiert) sowie Neuf écarts vers le défi (1993). Als bedeutender Beethoven-
Interpret erweist er diesem Komponisten 2003 mit Ludwig van sampling! die Ehre. Und 2012 komponiert er Iki-no-Michi (Die Wege des Atems) für Saxofon und Elektronik.

Nodaïras Solokonzerte und seine Orchestermusik sind sehr persönlich geprägt: Von den hochgehenden Wogen des Konzerts für elektrische Gitarre und Orchester (1. Fassung 1990, 2. Fassung 2002) bis zu den Arabesken des Klavierkonzerts von 2001 reicht die Bandbreite seiner raffinierten und kraftvollen virtuosen Klangsprache. Im Triptyque für Orchester von 2004 gelingt es ihm auf herausragende Weise, dem Orchestersatz mit einer gleichermaßen ungestümen und gezügelten Expressivität und schroff wechselnden Klangebenen Tiefe zu verleihen. In gewisser Hinsicht ist das dreißig Minuten dauernde Triptyque ein Konzert für Orchester.

Der heute sechzigjährige Nodaïra ist ein sehr gefragter Pianist und genießt in Japan größtes Ansehen. Er ist seit 1990 Professor für Komposition an der „Geidai“ in Tokio, und von 1994 bis 2000 war er künstlerischer Leiter der Tokio Sinfonietta. 2004 erhielt er für sein Gesamtwerk die höchste künstlerische Auszeichnung Japans, den Preis der Stiftung Suntory, sowie einen Preis der japanischen Regierung. 2005 wurde er zum künstlerischen Leiter des AOI-Saals der Stadt Shizuoka berufen. 2015 komponierte er zum 70. Jahrestag des Atombombenabwurfs über Hiroshima Paroles de paix ; une colombe s‘envole für das Orchestre Symphonique de Montréal, der Partnerstadt Hiroshimas. Die Aufführung dieses Werks in Montreal anlässlich der Gedenkfeier am 5. August wurde zeitgleich nach Hiroshima übertragen. Sie begann nach dem Erklingen der Friedensglocke zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs. Das Konzert stand unter der Leitung von Kent Nagano, der am 21. Dezember in Hamburg auch die Aufführung zweier Stücke aus Johann Sebastian Bachs Kunst der Fuge in der Instrumentierung von Ichiro Nodaïra dirigieren wird.

Benoît Walther
(Übersetzung: Irene Weber-Froboese)
(aus: [t]akte 2 / 2015]

zurück

English switch to english

Orchester

Johann Sebastian Bach’s St. John Passion of 1725
Johann Sebastian Bachs „Johannes-Passion“ von 1725
Premieres of Works by Andrea Lorenzo Scartazzini
Uraufführungen von Andrea Lorenzo Scartazzini
Individuum und Kollektiv. Miroslav Srnkas Orchesterstück „Superorganisms“ für Berlin
Alkor liefert Leihmaterial von Ut Orpheus aus
Ein neuer Versuch. Michael Ostrzygas Vervollständigung von Mozarts Requiem
Ein Cembalokonzert! Miroslav Srnkas neues Werk für Mahan Esfahani
Ein neues Ohr für die Stimme des Anderen – Beat Furrers „Sechs Gesänge für Vokalensemble und Orchester“
Mit den Gänsen über Schweden. „Nils Holgersson“ als Orchestermärchen für Kinder
Komponistenporträt Matthias Pintscher in Tokio
Le retour à la vie – Sommerfestspiele 2021
Trost in der Natur. Leo Blechs glanzvolle Barcarole
Mit Abstand gut. Katalog mit kleinbesetzten Orchesterwerken
„Super flumina Babylonis“. Ein wiederaufgefundenes Chorwerk von Camille Saint-Saëns
ImpressumDatenschutz