Hinsichtlich seiner Wirkung verdient es Josef Myslivečeks C-Dur-Konzert, mit den Konzerten Haydns und Boccherinis auf eine Stufe gestellt zu werden. Nun schafft eine verlässliche Neuedition die Grundlage für Aufführungen.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es Beispiele dafür, dass ein einzelner Interpret ein Werk ins öffentliche Bewusstsein katapultieren konnte. So wäre das Konzert g-Moll für Violoncello und Orchester von Matthias Georg Monn heute vielleicht völlig vergessen, hätte es nicht 1968 die phänomenale Jacqueline du Pré mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Sir John Barbirolli aufgenommen. Eine ähnliche Bedeutung erlangte Boris Pergamenschtschikow für das C-Dur-Konzert des böhmischen Komponisten Josef Mysliveček (1737–1781), das er 1972 als erster Interpret mit dem Leningrader Kammerorchester unter der Leitung von Lazar Gozman für das Label Melodija einspielte. Für diesen Zweck erstellte der Musikwissenschaftler Oldřich Pulkert eine Ausgabe, die 1973 im sowjetischen Verlag Muzyka erschien.
Ich hatte die Gelegenheit, Pulkert im Jahr 2013 persönlich kennenzulernen – damals noch als Student der Akademie der darstellenden Künste in Prag. Mein Interesse galt insbesondere der Identifizierung der Quellen zu Joseph Haydns Cellokonzert in C-Dur, die ihm 1961 gelungen war. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Oldřich Pulkert von dem glücklichen Fund und der Aufregung über den Anruf berichtete, bei dem Haydns Autorschaft durch ein Telefonat mit Anthony van Hoboken bestätigt wurde. Von diesem Treffen nahm ich nicht nur wertvolle Informationen mit, sondern auch Orchesterstimmen zu dem mir damals noch unbekannten Mysliveček-Konzert.
Die Ausgabe von 1973 wurde sorgfältig erarbeitet, doch leider enthielt sie keinerlei Informationen über die zum Teil tiefgreifenden Eingriffe Pulkerts sowohl in den Cellopart als auch in die Orchesterstimmen. Die Eingriffe sind derart weitreichend, dass diese Ausgabe mit der unter Cellisten legendären Gaevert-Edition von Haydns Cellokonzert in D-Dur vergleichbar ist. Von großem Wert war hingegen Pulkerts Zusammenarbeit mit Boris Pergamenschtschikow bei der Erstellung von Kadenzen für alle drei Sätze.
Was macht Josef Myslivečeks Violoncellokonzert so besonders? Aus meiner Erfahrung mit wiederholten Aufführungen kann ich bestätigen, dass es sich um ein sehr publikumswirksames Werk handelt, das sich mit beiden Haydn-Konzerten messen kann. Der Solopart bewegt sich stellenweise in effektvoll hohen Lagen – ein Ergebnis der Bearbeitung der ursprünglichen Fassung für Violine. Das Violoncello steht stets in einem ausgewogenen Dialog mit dem Orchester und lässt den Solisten glänzen.
Eine Rarität ist die melodische Führung, die an mehreren Stellen an tschechische Volkslieder erinnert. In einer Partiturabschrift von 1909 finden sich Eintragungen mit Texten tschechischer Volkslieder, die interessanterweise aus Süd- und Westböhmen stammen. Ob es sich dabei um eine freie Assoziation des Kopisten, eine zeittypische Tendenz zur Betonung der nationalen Zugehörigkeit oder einen anderen Einfluss handelt – unbestreitbar ist, dass Myslivečeks Schaffen von Tanz, Lied und Witz geprägt ist.
Die neue Ausgabe von Bärenreiter Praha, ediert von Vojtěch Spurný auf der Grundlage von Quellen aus Wien und Weimar, soll zur Aufnahme des Werkes in das Standardrepertoire der Cellisten beitragen. Neben Partitur und Orchestermaterial, die mit einem Kritischen Bericht leihweise erhältlich sind, ist ein neuer Klavierauszug erschienen, der eine von mir bearbeitete Cellostimme enthält, worin wir auch Boris Pergamenschtschikows Kadenzen samt seiner Fingersätze mit abgedruckt haben.
Tomáš Jamník
(aus [t]akte 2/2025



