Rudolf Kelterborns Ensemble-Buch V wird in Zürich uraufgeführt, eine Komposition für sechs Instrumente. Seine Serie von „Büchern“ für verschieden besetzte Ensemble loten facettenreiche Spielarten aus.
[t]akte: Herr Kelterborn, Ihre Ensemble-Bücher I, II und IV sind Werke für Stimme und verschiedene Instrumentalbesetzungen und loten die vielfachen Beziehungen von Text und Musik aus. In Ihrem neuen Ensemble-Buch V schaffen Sie nun ein reines Instrumentalwerk (wie zuvor schon im Buch III), die Sätze jedoch haben sehr sprechende, poetische Titel: Chemins, Dark music – Cris du monde, Natura morta 1, Illuminations, Beating and Whispering, Natura morta 2 – Apertura). Gibt es auch hier einen Bezug zu literarischen Werken?
Kelterborn: Es gibt bei meinem Ensemble-Buch V keine literarischen Hintergründe oder sonstige Bezüge auf Außermusikalisches. Die „sprechenden, poetischen“ Satztitel mögen jedoch die Fantasie der Hörerinnen und Hörer in eine bestimmte Richtung lenken, wobei durchaus bildhafte oder poetische Assoziationen möglich sind – aber solche persönlichen Assoziationen wären sozusagen „privat“ und auf keinen Fall allgemeinverbindlich.
Was erwartet den Hörer in den einzelnen Sätzen von Ensemble-Buch V? Wie gehen Sie mit der reizvollen Besetzung aus Flöte, Klarinette, Violine, Cello, Klavier und Schlagzeug um?
Meine Ensemble-Bücher sind Kompositionen, in denen das Gesamtensemble nur als eine von mehreren Besetzungsformationen eingesetzt wird. In meinem Ensemble-Buch I für Bariton und 13 Instrumente auf Gedichte von Erika Burkart gibt es neben Tutti-Sätzen zum Beispiel zwei Sätze nur für Bariton und Klavier, einen Satz für Bariton, Violine und Violoncello, ein „Nachtstück“ für acht Instrumente usw. Im neuesten, rein instrumentalen Ensemble-Buch V werden in fünf von sechs Sätzen alle sechs Instrumente eingesetzt; aber innerhalb der einzelnen Sätze kommt es immer wieder zur Bildung von verschiedenen Teilensembles. Der erste Satz „Chemins“ zum Beispiel geht vom Duo Klavier/Schlagzeug aus, es folgt ein längerer Abschnitt für Klarinette, Violoncello, Klavier und Schlagzeug – die Tutti-Besetzung erscheint erst im letzten Abschnitt des Satzes. – Oder im zweiten Satz „Dark Music – Cris du monde“ steht am Anfang ein dunkel gefärbtes Ensemble mit Bassflöte, Bassklarinette, Violoncello, Klavier und Schlagzeug, während der letzte Teil von einem Quartett (Flöte, Klarinette, Violine und Violoncello) bestritten wird. – „Natura morta 1“ (der dritte Satz) ist nur für Violine und Klavier komponiert, der letzte Satz „Natura morta 2 – Apertura“ im ersten Teil nur für Bassklarinette und Schlagzeug und im zweiten Teil dann für das ganze Ensemble.
Ihre Ensemble-Bücher erscheinen in sich wie eine Enzyklopädie der vielfältigen Möglichkeiten der jeweiligen Besetzungen. Bilden die „Bücher“ auch untereinander einen Zyklus, was die Titel ja nahelegen könnten?
Die Ensemble-Bücher I–V sind je selbständige Kompositionen, sie bilden keinen Zyklus. Aber man könnte durchaus zum Beispiel drei dieser Werke hintereinander in einem Konzert aufführen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich daraus die Wirkung eines übergeordneten Ganzen ergeben könnte.
Welche formalen Aspekte sind hervorzuheben?
Der in jedem Ensemble-Buch spezielle Umgang mit der Besetzung des Ensembles, bei dem das Tutti nur eine von mehreren unterschiedlichen Formationen ist, bestimmt natürlich die Formen der einzelnen Sätze wie auch des ganzen Werkes wesentlich mit. Dabei kann auch die Anwendung verschiedener Typen einzelner Instrumentengattungen (zum Beispiel Querflöte, Piccolo, Alt- und Bassflöte) die formalen Gestaltungsmöglichkeiten bereichern.
Die Fragen stellte Marie Luise Maintz
(aus [t]akte 1/2015)