Zum Jahrestag der Samtenen Revolution am 17. November 1989 in Bratislava hat Ľubica Čekovská Liberte für Mezzosopran, Chor und Orchester komponiert. Die Erinnerung an den weitgehend gewaltfreien Umbruch vom Sozialismus zur Demokratie in der Tschechoslowakei vor 30 Jahren ist für die slowakische Komponistin mit Ambivalenz erfüllt. „Die Revolution hat uns politische Befreiung gebracht, sie hat jedoch vielfach nicht zur spirituellen Freiheit geführt. Der Umbruch hat uns etwas gegeben, aber auch gestohlen. Er hat wirtschaftliche Befreiung, aber auch Egoismus hervorgebracht.“ Tiefer Zweifel ist die Grundhaltung von William Shakespeares berühmtem Sonett 66, das den Verdruss an der scheinheiligen Welt formuliert. Ľubica Čekovská vertont eine Übersetzung von Anna Sedlačková ins Slowakische und kombiniert sie mit einem Text des 1946 in Košice geborenen Autors Ján Štrasser. Ihre Komposition Liberte geht mit dem großen Apparat von Chor und Orchester in einer reichen Textur um, in einer rhythmisch betonten, energetischen und perkussionsbetonten Satzstruktur, mal in einem sarkastischen Marschcharakter, mal in einem elegischen Tonfall. Ihr Kommentar zur Revolution ist ein heterogenes, tief gespaltenes Stimmungsbild.
MLM
(aus [t]akte 2/2019