Am 8. August 2014 starb Peter Sculthorpe, einer der führenden Komponisten Australiens, im Alter von 85 Jahren in Sydney. Empfänger der höchsten Ehren Australiens, inspirierte er eine ganze Generation von Komponisten, deren Musik heute weltweit bekannt ist. Gerade er verstand es, mit seiner Musik ein Gefühl für die Landschaft zu erzeugen. Erreicht hat Sculthorpe dies zum einen durch sein Studium der Musik der Aborigines, zum anderen durch seine tiefe Liebe zu Australien sowie durch sein Interesse für Umweltschutz und Ökologie. Sally Cavender, stellvertretende Leiterin von Faber Music, schreibt: „Peter kam im Gründungsjahr 1965 zu Faber Music. In all diesen 49 Jahren hat unsere Beziehung zu ihm bis zum heutigen Tag immer Freude und Vergnügen bereitet. Seine Musik ist absolut klar, individuell und lyrisch, sie drückt die Wärme und Schlichtheit des Menschen an sich aus. Sein Verlust wird nicht nur seine zahlreichen Schüler treffen, die mittlerweile zu den erfolgreichsten Komponisten Australiens zählen, sondern die Musikkultur unseres Landes im Ganzen, die er so tiefgreifend beeinflusst und reflektiert hat.“
Peter Sculthorpe, geboren 1929 im tasmanischen Launceston, besuchte die Launceston Church Grammar School, die Universität Melbourne und das Wadham College in Oxford. Er war Emeritus Professor an der Universität Sydney, wo er ab 1964 unterrichtete, außerdem Harkness Fellow an der Yale University und Gastdozent an der University of Sussex in den Jahren 1971/72.
Sculthorpes reiche und vielgestaltige Kompositionen (darunter beeindruckende achtzehn Streichquartette) werden auf der ganzen Welt regelmäßig aufgeführt und eingespielt. Seine Beschäftigung mit der Landschaft Australiens, mit Fragen des Umweltschutzes und der Schwäche der menschlichen Verfassung ist in Werken wie Earth Cry (1986) und (2003) zu hören.
Während sein Streichquartett Nr. 16 (2006) die Not der Asylbewerber in australischen Auffanglagern thematisiert, widmete er sich mit dem Streichquartett
Nr. 18 (2010) dem Klimawandel. Viele Einflüsse stammen aus der asiatischen Musik – insbesondere aus Japan und Indonesien – sowie in jüngster Zeit aus der Musik und Kultur der Aborigines sowie der Torres-Strait-Inseln. Der Ernennung zum Order of the British Empire 1977 und Officer of the Order of Australia 1990 folgte 1998 die Wahl zu einem von „Australia’s Living National Treasures“ und die Verleihung der
Silver Jubilee Medal. Als Honorary Foreign Life Member der American Academy of Arts and Letters erhielt er Ehrendoktorwürden der Universitäten von Tasmanien, Melbourne, Sussex, Griffith und Sydney. 2011 wurde er vom spanischen König Juan Carlos I. mit dem Orden de Isabel la Católica ausgezeichnet.
Faber Music
„Über Musik und musikalische Einflüsse hinausgehend zeigten sich vor Peters innerem Ohr stets Land und Landschaft. Im besten, liebevollsten Sinne war Peter ein Erschaffer von Orten – ein Künstler mit der seltenen Fähigkeit, das Wesentliche eines bestimmten Ortes einzufangen, heraufzubeschwören und es mit anderen zu teilen, oft mit den einfachsten Mitteln (so ahmt etwa bei ihm ein einzelner schwebender Akkord, in dem Streicher knistern und kreischen, wirkungsvoll eine zur pulsierenden Sonne emporsteigende Vogelschar nach). Peters ‚Orte‘ waren elementar wie in Sun Music und Earth Cry, einsam wie in Irkanda IV, kolonial wie in Port Essington oder monumental naturgesetzlich wie in Mangrove und Kakadu. Und wo sich andere in ihren Auseinandersetzungen mit solchen Orten entfremdeten, setzte Peter sie mit Liebe und Sorgfalt in Töne.“
Sir Jonathan Mills AO, Komponist und Festivaldirektor
„Peter ist so zentral für die australische Musik wie Aaron Copland für die amerikanische. Er war ein unermüdlicher Anwalt für andere Komponisten, und seine warmherzige, gesellige und lebenslustige Art trug enorm zum Musikleben bei. In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren war Peters Streichquartett Nr. 8 eine Erkennungsmelodie von Kronos und hatte für unser erstes Album beim Label Nonesuch eine zentrale Bedeutung. Irgendwie schien alles immer in bester Ordnung zu sein, wenn man wusste, dass Peter in Sydney war und dort seine Musik zum Leben erweckte. Wir vermissen ihn sehr.“ Kronos Quartet
(aus [t]akte 2/2014)
(Übersetzung: Felix Werthschulte)