Kaum ein anderer Komponist der Gegenwart hat einen solch unverwechselbaren Personalstil entwickelt wie Beat Furrer. Nicht erst im siebzigsten Lebensjahr erntet er die Früchte seiner künstlerischen Konsequenz.
Am 6. Dezember 2024 feiert Beat Furrer, der in der Schweiz geborene und in Österreich lebende Komponist, seinen 70. Geburtstag. Seine markanten Werke werden an vielen Orten zu hören und zu sehen sein – mit der Wiederaufnahme seiner Oper „Violetter Schnee“ an der Staatsoper Berlin, in zahlreichen Konzerten des von ihm gegründeten Klangforum Wien, Aufführungen seines Musiktheaters „Begehren“ (2001), unter anderem in Wien, bei den Salzburger Festspielen, beim Lucerne Festival und bei einem Komponistenschwerpunkt der „Zeitinsel“ des Konzerthauses Dortmund.
Für Beat Furrer ist Komponieren ein „Instrument der Welterfahrung, der Welterkenntnis, der Welt um mich herum: Wahrnehmung immer wieder zu thematisieren, Klang, die Faszination am Klang selbst“. Als Schöpfer einer unverwechselbaren Musiksprache schärft Furrer den visionären Blick und komponiert zeitlos gültige Werke. Doch ist sein Schaffen stets dem Schritt ins Unbekannte gewidmet, es gleicht einem fortwährenden Forschen. Als Komponist, Dirigent, Denker, Lehrer ist er einer der prägendsten Künstler unserer Zeit. So gründete er 1975 das Klangforum Wien und entwickelte es als langjähriger Künstlerischer Leiter und Dirigent. Von 1991 bis 2023 war er Ordentlicher Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz. Ende der 1990er gründete er gemeinsam mit Ernst Kovacic „impuls“ als internationale Ensemble- und Komponistenakademie für zeitgenössische Musik in Graz. 2004 erhielt er den Musikpreis der Stadt Wien, seit 2005 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. 2006 wurde er für das Hörtheater Fama (2005) mit dem Goldenen Löwen bei der Biennale Venedig ausgezeichnet. 2014 erhielt er den großen österreichischen Staatspreis. 2018 wurde ihm für sein Lebenswerk der Musikpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung verliehen. Zu seinen bekanntesten Musiktheaterwerken zählen neben „Begehren“ und „FAMA“, das Musiktheater „Wüstenbuch“ (2010) sowie die beiden Opern „la bianca notte/die helle nacht“ (2015) und „Violetter Schnee“ (2019).
Neues Orchesterstück für Luzern
In seinem 70. Lebensjahr folgt mit der Roche Commission für Furrer eine weitere ehrenvolle Auszeichnung beim Lucerne Festival. Anlässlich der Preisverleihung am 31. August 2024 wird sein neues Orchesterwerk „Lichtung“ unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt. Die neue Komposition nimmt ihren Ausgang bei einer konkreten klanglichen Idee. „Lichtbrechung oder ein Flimmern der Luft waren die Assoziationen zum ersten Klang des Orchesterstückes – aus dieser diffusen, oszillierenden Fläche verdichten sich allmählich Gestalten – aus dem Dickicht verschiedener Schichten flüsternder unartikulierter Laute, verschiedenen Sprachen ähnlich, wird plötzlich kontrastreiches Konkretes einander gegenübergestellt und in einem Dialog weiter entwickelt.“ Eine fortwährende Entwicklung mündet in eine große Steigerung: „Die Idee, Aggregatzustände von Klängen in ständiger Veränderung zu entwickeln – vom Diffusen, Kontrastlosen zu konkreten Gestalten – war ebenfalls Ausgangspunkt für den zweiten Teil des Werkes: sehr langsame kontinuierliche Farbveränderungen eines ruhigen, tiefen Flusses, der allmählich beschleunigt und sich in einem reißenden Strudel in Gischt verwandelt und nichts als mit Energie geladene Leere hinterlässt.“ Ein Zitat von Thomas Stangl fasst den Vorgang in ein prägnantes Bild: „Das leere Zentrum, das Glück. Im Zentrum des Wirbels gibt es einen Ort der Stille“.
Marie Luise Maintz
(aus [t]akte 1/2024)