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Arien eines Revolutionärs. Eine Reihe mit Glucks Arien aus französischen Opern

Christoph Willibald Gluck
Airs d’opéra français / French Operatic Arias. Dessus et grand dessus / Soprano and Mezzosoprano. Hrsg. von Benoît Dratwicki. Koproduktion Centre de musique baroque de Versailles/Bärenreiter-Verlag 2019. BA 8167. Klavierauszug € 47,95.
In Vorbereitung: Dessus/Soprano (BA 8166), Haute-contre / Tenor (BA 8168), Basse-taille / Baritone (BA 8169)

Foto: Dorothea Röschmann als Alceste in Sidi Larbi Cherkaouis Inszenierung von Glucks Alceste an der Bayerischen Staatsoper (Musikal. Leitung Antonello Manacorda) (Foto: Wilfried Hös

Die nicht zu überschätzende Wirkung der Opern Christoph Willibald Glucks ist allgemein bekannt. Eine Reihe mit vier Alben, nach Stimmlagen sortiert, macht seine Arien jetzt für Unterricht und Aufführung zugänglich.

Christoph Willibald Gluck (1714–1787) gilt als der große Opernreformator in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Mit Ranieri de’ Calzabigi brachte er eine Reform der italienischen Opera seria auf den Weg, wie sie in seinem Orfeo (1762) verwirklicht wurde. Mit Calzabigi sowie der Unterstützung durch den Choreographen Gasparo Angiolini hatte er bereits einige Monate zuvor Don Juan ou Le Festin de pierre als erstes Beispiel für ein Handlungsballett entworfen. Unter dem Einfluss der Dauphine und späteren Königin Marie-Antoinette ließ er sich 1773 in Paris nieder. Dort gelang es ihm mit der Hilfe einiger Librettisten und Übersetzer wie Pierre-Louis Moline, François-Louis Gand Le Bland Du Roullet oder Nicolas-François Guillard innerhalb weniger Jahre, die Gattung der französischen „tragédie en musique“ zu erneuern. Glucks Iphigénie en Aulide (1774) war ein noch größerer ästhetischer Schock für das Publikum als seinerzeit Rameaus Hippolyte et Aricie. Die Vertonung von Armide, dem Hauptwerk Philippe Quinaults, verdrängte Jean-Baptiste Lullys Musik und stellte die Wirkung seiner eigenen unter Beweis. Mit weniger als zehn Opern, die bei Hofe und in Paris zwischen 1774 und 1779 gespielt wurden – Neukompositionen oder Bearbeitungen wie im Falle von Orphée et Eurydice (1774), Cythère assiégée (1775), L’Arbre enchanté (1775) und Alceste (1776) – verhalf Gluck der französischen Oper zum Aufbruch in eine neue Zeit. Allerdings wurde sein Stil von den Anhängern der italienischen Musik, deren Galionsfiguren Piccinni und Sacchini hießen, der Kälte und Härte bezichtigt, was den Streit zwischen den Gluckisten und Piccinnisten (1778–1779) heraufbeschwor. In der Tat stieß Gluck das Publikum der Académie royale de musique durch den Verzicht auf alte, aus dem 17. Jahrhundert stammende, aber mittlerweile überholte Gepflogenheiten vor den Kopf: Die Anzahl der Ballette wurde reduziert, und sie wurden in die Bühnenhandlung integriert. Rezitative wurden durchgängig begleitet und flüssig und ohne Verzierungen vorgetragen. Der Chor nahm unmittelbar am Dramengeschehen teil. Die Arien, entweder ausdrucksstarke Kavatinen oder leidenschaftliche Stücke, erwiesen sich als von nie zuvor gehörter Intensität.

Glucks Kunst wurde in Paris von einigen seiner Schüler wie Lemoyne, Vogel oder Salieri fortgeführt und erregte bis in die Mitte des folgenden Jahrhunderts große Bewunderung, allen voran diejenige von Hector Berlioz. Durch die Anhebung des Stimmtones und die zunehmend größeren Säle und Orchester verschwanden seine Werke jedoch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Repertoire der Opéra. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wurden Glucks französische Opern, insbesondere dank der Anstrengungen Berlioz’, der 1859 Orphée et Eurydice für die Mezzosopranistin Pauline Viardot bearbeitete, indem er die Wiener und Pariser Versionen mischte, wieder im Repertoire verankert und kehrten allmählich auf die Bühnen zurück. Sie wurden in viele Sprachen übersetzt und erfreuten sich nicht zuletzt in Deutschland großer Beliebtheit. Für Beethoven, Weber und insbesondere für Wagner galt Gluck als einer der Gründerväter der modernen Oper. Aber vor allem die historische Aufführungspraxis der 1970er Jahre, die neuen Interpretationsansätze und der Einsatz historischer Instrumente in authentischer Stimmung verschafften Gluck neue Aktualität. Heutzutage auf modernen und barocken Instrumenten gleichermaßen gespielt, ernten seine französischen Opern nun allgemeine Bewunderung und zählen neben Mozarts Bühnenwerken zu den meistgespielten des 18. Jahrhunderts.

Seit ihrer Entstehung in den 1770er Jahren sind Glucks französische Opernarien wie „J’ai perdu mon Eurydice“ (Orphée), „Divinités du Styx“ (Alceste) oder „Ô malheureuse Iphigénie“ (Iphigénie en Tauride) zu unverzichtbaren Stücken für Gesangsunterricht, Konzerte, Vorsingen und – in jüngster Zeit – CD-Recitals geworden.

Erstmals sind nun sämtliche Arien in Form von Klavierauszügen, größtenteils auf Basis der Gluck-Gesamtausgabe (Christoph Willibald Gluck, Sämtliche Werke, Bärenreiter-Verlag), in vier zweisprachig angelegten (fr./engl.) und nach Stimmlagen geordneten Bänden (Sopran, dramatischer Sopran/Mezzosopran, Tenor und Bariton) versammelt.  

Benoît Dratwicki
(aus [t]akte 2/2019 – Übersetzung Michael Haag)

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